Die fantastische Reise ins Koenigreich der sieben Tuerme
beobachtete auch ich den Horizont. Die Elfe hatte viel schärfere Augen als ich. Zum Glück, denn drei neue Geschosse stiegen über dem Schlachtfeld auf. Lizlide schätzte geschwind ihre Flugbahn ab und führte uns von der Einschlagstelle weg, lange bevor sie den Boden umpflügten.
HANDFESTE KONFRONTATION
B ald lag der Tumult des Kampfes weit hinter uns. Wir brauchten uns nicht mehr vor den tobenden Orks zu fürchten. Während wir den Hügel hinaufritten, auf dem sich der Generalstab der Verbündeten und die Herrenbrüder niedergelassen hatten, teilte Longtothe uns mit, dass wir uns trennen mussten.
»Thédric, Lizlide und ich gehen zu Akys III. Ergonthe und Fregainthe, ihr geht zu Onorys VIII. Bittet ihn, den Rat der Herrenbrüder einzuberufen, der sich den Bericht des Ausländers anhören soll.«
Ich reagierte prompt: »Verzeihung, Seigneur Longtothe, aber ich darf auf keinen Fall den Oberbefehlshaber treffen, zumindest jetzt noch nicht.«
»Uns bleibt nichts anderes übrig. Das wäre …«
»Aber Ihr versteht nicht!«, unterbrach ich ihn. »Er lässt mich sofort verhaften und einsperren wie einen Verräter. Vielleicht werde ich sogar auf der Stelle hingerichtet.«
»So ein Unsinn! Das Königreich der sieben Türme hat ein tausend Jahre altes Protokoll. Sich nach einer Kampfhandlung als Allererstes beim Oberbefehlshaber vorzustellen, ist in Kriegszeiten ein absolutes Muss. Wenn du es nicht beachtest,
ist das ein nicht hinnehmbarer Affront gegen die Autorität des obersten Heerführers.«
Obwohl mir seine Worte einleuchteten, versuchte ich es weiter.
»Das verstehe ich ja, aber wenn ich zunächst mit Onorys VIII sprechen könnte …«
»Onorys VIII wird dich gar nicht erst anhören«, entgegnete Longtothe gereizt. »Er wird verlangen, dass man dich in den Kerker wirft, um dir gute Manieren beizubringen. Vertrau mir einfach. Wenn du vor Akys III stehst, zeige dich der Rolle gewachsen, die du in unserem Krieg zu spielen glaubst.«
Damit hatte er mir ein schönes Schnippchen geschlagen. Ich brauchte mich nur nicht unterkriegen zu lassen … Sicher, aber wie? Ich war so durcheinander, dass das Gebäude aus wilder Entschlossenheit, das ich auf meinem langen Ritt als schändlicher Kaiser errichtet hatte, einstürzte wie ein Kartenhaus.
Wir erreichten die Hügelkuppe. Akys III hatte hier ein großes Zelt aufschlagen lassen, um Kriegsrat halten zu können. Einige Hundert Meter entfernt war zu Ehren der fünf anderen Herrenbrüder eine kleine überdachte und beflaggte Tribüne errichtet worden. Hier thronten sie nebeneinander in ihren Sesseln mit hoher Rückenlehne, die extra aus Olsomathe hergeschafft worden waren. So hatten sie den idealen Platz, um dem Schauspiel der Schlacht um Isparin beiwohnen zu können. Ich blickte Ergonthe und Fregainthe nach, die zu ihnen eilten, und betete zum Himmel, dass sie Erfolg hatten.
Wir erschienen vor dem Zelt des Oberbefehlshabers. Knappen und Kriegsdiener kümmerten sich eilig um unsere Equineds. Nur mir blieb diese Zuvorkommenheit verwehrt.
Und das aus gutem Grund! Meine Aufmachung jagte den Männern einen Schreck ein, und sie starrten mich feindselig an.
»Ich muss mich schnell umziehen«, flüsterte ich Lizlide zu, »sonst bringt mich noch einer der Soldaten um und glaubt dabei, eine Heldentat zu vollbringen.«
»Die Tasche mit deinen Sachen ist bei Armaintho«, antwortete die Elfe.
Ich lächelte sie zärtlich und dankbar an.
»Die brauche ich nicht, ich habe meine litithische Kleidung unter der schrecklichen Hülle des Schändlichen anbehalten«, erklärte ich.
Wir standen uns gegenüber und konnten uns endlich in die Augen sehen. Ich hätte sie so gern geküsst, sie an mich gedrückt und ihr gesagt, wie sehr ich mich davor gefürchtet hatte, sie für immer zu verlieren … Aber in dieser Situation konnte ich sie nur anschauen, mich beim Anblick ihrer sinnlichen Lippen vor Sehnsucht verzehren, vor Begierde in ihren unergründlichen Rehaugen versinken … Die Zeit hätte stehen bleiben müssen, doch Longtothe unterbrach unseren wortlosen Austausch, um mich vorzuwarnen.
»Akys III ist mit Feingefühl zu behandeln, Thédric. Sein erster Stellvertreter hat mir im Vertrauen gesagt, dass der Oberbefehlshaber in sein Zelt zurückgekehrt ist, als er uns kommen sah, und uns dort empfangen will wie gefangen genommene Orkgeneräle.«
»Darauf bin ich vorbereitet«, erwiderte ich, um ihn zu beruhigen.
In Wahrheit hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich sagen oder nicht
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