Die Farbe der Gier
lächelte. Eine Seltenheit, was sogar Fenston auffiel.
Olga Krantz nässte ihr Bett ein und erzählte dem Arzt von ihrer schwachen Blase. Er genehmigte Besuche auf der Toilette, aber nur in Begleitung von mindestens zwei Wachen.
Diese regelmäßigen, kleinen Ausflüge den Flur entlang boten der Krantz die Gelegenheit, die Einrichtung der Etage zu studieren: ein Empfangstisch am anderen Ende des Flurs, an dem eine einzige Krankenschwester saß; ein
Medikamentenschrank, der nur im Beisein eines Arztes aufgeschlossen werden durfte; ein Schrank mit Bettwäsche; drei weitere Einzelzimmer, eine Toilette und am entgegengesetzten Ende des Korridors ein Gemeinschaftssaal mit 16 Betten gegenüber der Feuertreppe.
Die Ausflüge dienten jedoch auch einem anderen, wichtigeren Zweck und das war dem jungen Arzt beim Studium seiner medizinischen Fachbücher oder bei seinen Visiten in der Abteilung bestimmt noch nicht untergekommen.
Sobald man die Krantz in dem fensterlosen Kubus
eingeschlossen hatte, setzte sie sich auf den Toilettensitz, steckte sich zwei Finger ins Rektum und zog langsam ein Kondom heraus. Dann wusch sie die Gummihülle im Waschbecken ab, löste den Knoten und zog eine Rolle 20-Dollar-Scheine hervor.
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Sie entfernte zwei Scheine, schob sie in ihre Schlinge und kehrte den ganzen Prozess dann wieder um.
Anschließend zog die Krantz an der Spülung und wurde zurück auf ihr Zimmer eskortiert. Den Rest des Tages verbrachte sie schlafend. Sie musste während der Nachtschicht hell wach sein.
Jack saß auf dem Rücksitz eines Taxis und sah aus dem Fenster.
Der graue Mantel des 11. September hatte sich immer noch nicht von Manhattan gehoben, obwohl die New Yorker nicht länger ungläubig nach oben starrend durch die Straßen liefen.
Terrorismus war noch so etwas, das die hektischste Stadt auf Erden spiegelnd bewältigte.
Jack lehnte sich zurück und dachte an den Gefallen, den er Anna versprochen hatte. Er wählte die Nummer, die sie ihm gegeben hatte. Sam hob ab. Jack teilte ihm mit, dass Anna am Leben war und dass sie ihre Mutter in Rumänien besucht hatte und er sie an diesem Abend zurückerwarten durfte. Schön, den Tag damit zu beginnen, dass man jemanden ein gutes Gefühl vermittelte, dachte Jack, was beim zweiten Anruf nicht der Fall sein würde. Er rief seinen Chef an und teilte ihm mit, dass er wieder in New York war. Macy erzählte ihm, dass die Krantz in ein Krankenhaus in Bukarest gebracht worden war, um an der Schulter operiert zu werden. Sie werde rund um die Uhr von einem halben Dutzend Sicherheitsleute bewacht.
»Ich wäre glücklicher, wenn sie im Gefängnis wäre«, seufzte Jack.
»Man hat mir zugetragen, dass Sie mittlerweile aus Erfahrung über dieses Thema sprechen«, meinte Macy. Jack wollte darauf etwas erwidern, als Macy hinzufügte: »Warum nehmen Sie sich den Rest der Woche nicht frei, Jack? Sie haben es sich verdient.«
»Es ist Samstag«, rief Jack seinem Chef in Erinnerung.
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»Dann sehe ich Sie Montag früh«, sagte Macy.
Jack beschloss, als nächstes Anna eine SMS zu schicken.
Habe Sam gesagt, dass du heimkommst. Ist er der einzige andere Mann in deinem Leben? Erwartete zwei Minuten, aber es kam keine Antwort. Daraufhin rief er seine Mutter an.
»Kommst du heute zum Abendessen?«, fragte sie kurz angebunden. Er konnte beinahe das Fleisch im Hintergrund brutzeln riechen.
»Würde ich das je verpassen, Ma?«
»Das hast du letzte Woche.«
»Stimmt und ich wollte dich ja auch anrufen«, entschuldigte sich Jack, »aber es ist etwas dazwischengekommen.«
»Wirst du dieses Etwas heute Abend mitbringen?« Jack zögerte. Ein dummer Fehler. »Ist sie eine gute Katholikin?«, lautete die nächste Frage seiner Mutter.
»Nein, Mutter«, erwiderte Jack. »Sie ist geschieden. Hat drei Ex-Männer, von denen zwei auf mysteriöse Weise starben. Ach ja, und fünf Kinder, nicht alle von den drei Ehemännern, aber es wird dich freuen zu hören, dass nur vier der Kinder Drogen nehmen – das fünfte sitzt derzeit im Knast.«
»Geht sie einem ordentlichen Beruf nach?«
»Oh ja, Ma. Und er bringt auch ordentlich was ein. Sie bedient zwar die meisten ihrer Kunden am Wochenende, aber sie hat mir versichert, dass sie immer eine Stunde für eine Schüssel Irish Stew abzwacken kann.«
»Was macht sie wirklich?«, wollte seine Mutter wissen.
»Sie ist Kunstdiebin«, erwiderte Jack, »spezialisiert auf van Gogh und Picasso. Macht gewaltige Profite bei jedem Auftrag.«
»Dann ist sie
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