Die Farbe der Gier
Gogh besitzen, hätte Tina am liebsten eingefügt – und dürfen 333
gleichzeitig niemals deren kommerziellen Ehrgeiz außer Acht lassen.
Tinas Gedanken wanderten zu Anna, während sie nebenher Fenstons schamlose Moralpredigt abtippte. Sie hatte mit ihr telefoniert, bevor sie an diesem Morgen ins Büro gegangen war.
Anna wollte ihr von dem neuen Mann in ihrem Leben erzählen, den sie unter höchst ungewöhnlichen Umständen getroffen hatte. Sie waren übereingekommen, an diesem Abend gemeinsam zu essen. Auch Tina hatte ihr etwas mitzuteilen.
Wir dürfen darüber hinaus niemals vergessen, dass es ausreicht, wenn ein Einziger von uns die Maßstäbe senkt, schon werden wir alle unter den Folgen zu leiden haben.
Während Tina eine weitere Seite umdrehte, fragte sie sich, wie lange sie noch als Fenstons persönliche Assistentin zu überleben hoffen konnte. Seit sie Leapman aus ihrem Büro geworfen hatte, hatten sie beide kein freundliches Wort mehr gewechselt. Würde er sie jetzt feuern – nur wenige Tage, bevor sie genügend Beweise beisammen hatte, um dafür zu sorgen, dass Fenston den Rest seines Lebens in der winzigen Räumlichkeit einer großen Einrichtung verbringen durfte?
Lassen Sie mich mit den Worten schließen, dass mein einziges Ziel im Leben darin besteht, der Gemeinschaft zu dienen und dem Land etwas zurückzugeben, das mir erlaubt hat, am amerikanischen Traum teilzuhaben.
Bei diesem Dokument würde sich Tina nicht die Mühe machen, eine Kopie anzufertigen.
Das Lämpchen an Tinas Telefon flackerte auf und sie griff rasch zum Hörer.
»Ja, Herr Vorsitzender?«
»Haben Sie meine Rede für das Bankertreffen fertig?«
»Ja, Herr Vorsitzender«, wiederholte Tina.
»Sie ist gut, nicht wahr?«, sagte Fenston.
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»Sie ist bemerkenswert«, erwiderte Tina.
Jack winkte sich ein Taxi herbei und gab als Ziel die Lincoln Street in Queens an. Der Fahrer schaltete schon mal das Taxameter ein, während er die Adresse in einem abgenutzten Straßenverzeichnis nachschlug. Jack hatte die halbe Strecke zum Flughafen hinter sich, als er an der Ecke Lincoln und Harris abgesetzt wurde. Er sah die Straße auf und ab und merkte, dass der Anzug, den er so sorgfältig für die Park Avenue ausgesucht hatte, in Queens irgendwie unpassend war. Er betrat das Spirituosengeschäft an der Ecke.
»Ich suche den rumänischen Club«, sagte er zu der älteren Frau hinter der Theke.
»Wurde schon vor Jahren aufgelöst«, antwortete sie. »Ist jetzt ein Gästehaus.« Sie musterte ihn. »Aber ich denke nicht, dass Sie da wohnen möchten.«
»Kennen Sie die Hausnummer?«, fragte Jack.
»Nein, aber ist die halbe Straße ’runter, auf der anderen Seite.«
Jack dankte der Frau, trat wieder auf die Lincoln Street und wechselte die Straßenseite. Er versuchte zu ergründen, wo genau die ›halbe Straße‹ sein mochte, da entdeckte er ein ausgebleichtes Zimmer zu vermieten- Schild . Er blieb stehen und schaute eine kleine Treppe hinunter zu dem noch
ausgebleichteren Schild über dem Eingang. Die Buchstaben NYRC, gegründet 1919 waren beinahe nicht mehr zu entziffern.
Jack stieg die Stufen hinab und öffnete die quietschende Tür.
Er trat in einen schäbigen, unbeleuchteten Flur, in dem ihm der beißende Geruch von kaltem Tabak entgegenschlug. Hinter einer kleinen, verstaubten Rezeption stand, beinahe versteckt, ein alter Mann, der eingehüllt in eine Wolke aus Zigarettenrauch die New York Post las .
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»Ich brauche ein Zimmer für die Nacht.« Jack versuchte so zu klingen, als ob es ihm ernst sei.
Die Augen des alten Mannes wurden zu schmalen Schlitzen, als er Jack ungläubig ansah. Wartete draußen etwa eine Frau?
»Das macht sieben Dollar«, sagte er und fügte hinzu: »Im Voraus.«
»Ich brauche auch etwas, wo ich meine Wertsachen
einschließen kann«, sagte Jack.
»Das macht noch mal einen Dollar – im Voraus«, wiederholte der Mann. Die Zigarette wippte auf und ab.
Jack reichte ihm acht Dollar und erhielt dafür einen Schlüssel.
»Zweiter Stock, Zimmer drei. Die Schließfächer befinden sich am Ende des Korridors«, sagte der Mann und reichte ihm einen zweiten Schlüssel. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der New York Post. Die Zigarette hatte seinen Mundwinkel nie verlassen.
Jack schritt langsam den Korridor entlang, bis er an eine Wand voller Schließfächer kam, die trotz ihres Alters solide und ziemlich einbruchsicher wirkten. Jack öffnete sein Schließfach und lugte hinein. Es musste ungefähr
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