Die Farbe der Gier
20 Zentimeter breit und 60
Zentimeter tief sein. Jack sah zum Empfang zurück. Der Mann hatte eine Seite umgeblättert, aber die Zigarette hing immer noch in seinem Mundwinkel.
Jack ging ein paar Schritte weiter, zog den nachgemachten Schlüssel aus seiner Innentasche und nach einem weiteren Blick zum Empfang öffnete er das Schließfach mit der Nummer 13. Er starrte hinein und versuchte, ruhig zu bleiben, obwohl sein Herz wie wild pochte. Er zog einen Schein aus dem Fach und legte ihn in seine Geldbörse. Jack schloss das Fach wieder ab und steckte den Schlüssel zurück in seine Tasche.
Der alte Mann blätterte erneut um und las die Gewinnchancen bei den Pferdewetten, als Jack wieder auf die Straße trat.
336
Er musste elf Häuserblocks laufen, bevor er ein freies Taxi fand, aber er wagte es nicht, Dick Macy anzurufen, bevor er nicht vor seinem Haus abgesetzt worden war. Jack schloss die Wohnungstür auf, rannte in die Küche und legte den 100-Dollar-Schein auf den Tisch. Dann rief er sich in Erinnerung, wie tief und wie breit das leere Schließfach gewesen war, bevor er auszurechnen versuchte, wie viele 100-Dollar-Scheine in Schließfach Nummer 13 gestopft sein mussten. Als er Macy anrief, hatte er die Maße auf dem Küchentisch ausgemessen und mehrere 500-Seiten-Taschenbücher als Rechenhilfe bei seiner Kalkulation herangezogen.
»Ich dachte, ich hätte Ihnen befohlen, sich den Rest des Wochenendes frei zu nehmen«, brummte Macy.
»Ich habe das Schließfach gefunden: NYRC 13.«
»Was war drin?«
»Schwer zu sagen«, meinte Jack. »Aber ich vermute, ungefähr zwei Millionen Dollar.«
»Ihr Urlaub ist gestrichen«, sagte Macy.
337
23. SEPTEMBER
338
44
»GUTE NACHRICHTEN«, erklärte der Arzt am Morgen des dritten Tages. »Ihre Wunde ist so gut wie verheilt und ich werde den Behörden empfehlen, Sie morgen ins Jilava-Zuchthaus zu überstellen.«
Damit hatte der Arzt ihren Zeitplan festgelegt. Nachdem er ihren Verband gewechselt hatte und ohne ein weiteres Wort gegangen war, lag die Krantz im Bett und ging ihren Plan immer und immer wieder durch. Sie bat nur um 14 Uhr, auf die Toilette zu dürfen. Zwischen 15 und 21 Uhr schlief sie tief und fest.
»Sie hat den ganzen Tag keine Probleme gemacht«, hörte sie einen der Wachposten Meldung erstatten, als er der Nachtschicht um 22 Uhr seine Schlüssel übergab.
In den nächsten beiden Stunden rührte sich die Krantz nicht.
Sie war sich bewusst, dass zwei der Wachen ungeduldig darauf warteten, sie auf die Toilette zu begleiten und ihr nächtliches Gehalt einzustreichen. Aber der Zeitpunkt musste für sie günstig sein. Sie würde vier Minuten nach vier ihre Wünsche erfüllen, nicht vorher. Dann würde einer von ihnen 40 Dollar erhalten und er würde dafür sorgen, dass der andere ein Päckchen Benson & Hedges bekam. Unverhältnismäßig, aber der eine spielte eine weitaus wichtigere Rolle. Die nächsten beiden Stunden lag sie hellwach.
Anna verließ kurz nach 6 Uhr am Morgen ihre Wohnung und machte sich an ihre morgendliche Joggingrunde. Sam eilte hinter seiner Theke hervor und öffnete ihr die Tür – das breite Grinsen hatte sein Gesicht seit dem Augenblick, in dem sie zurückgekommen war, nicht verlassen.
339
Anna fragte sich, an welcher Stelle Jack sie einholen würde.
Sie musste zugeben, seit sie sich gestern getrennt hatten, hatte sie viel an ihn gedacht, und sie hoffte bereits, dass ihre Beziehung über ein rein berufliches Interesse hinausgehen würde.
»Vorsicht«, hatte Tina sie beim Abendessen gewarnt. »Sobald er hat, was er will, zieht er weiter. Und er ist nicht zwingend hinter Sex her.«
Schade, hatte Anna gedacht.
»Fenston liebt den van Gogh«, hatte Tina ihr noch versichert.
»Er hat dem Gemälde einen Ehrenplatz an der Wand hinter seinem Schreibtisch zugewiesen.«
Tina hatte sie über alles, was Fenston und Leapman in den vergangenen zehn Tagen gemacht hatten, auf dem Laufenden gehalten. Doch trotz sanften Drängens, diverser Andeutungen und wohl gezielter Fragen wusste Anna, als sie das Restaurant zwei Stunden später wieder verlassen hatten, noch immer nicht, warum Fenston Tina so fest im Griff hatte.
Anna fiel wieder ein, wie sie das letzte Mal durch den Central Park gejoggt war, am Morgen des 11. September. Die dunkelgraue Wolke mochte sich endlich aufgelöst haben, aber es gab noch andere Erinnerungen an jenen entsetzlichen Tag, nicht zuletzt die beiden Worte, die jeder im Mund führte: Ground Zero. Sie verdrängte
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