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Die Farbe der Gier

Die Farbe der Gier

Titel: Die Farbe der Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe der Gier
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er sie zu Anna führen würde? War er zum Objekt der Gegenspionage geworden
    – die unausgesprochene Angst jedes FBI-Agenten – oder war er einfach nur paranoid?
    Sobald Jack das Stadtzentrum hinter sich gelassen hatte, blieb er stehen und studierte die Straßenkarte. Er beschloss, sich ein Taxi zu rufen, da er daran zweifelte, im Berceni-Viertel eines zu finden, wo er möglicherweise rasch wieder würde verschwinden müssen. Wenn er sich ein Taxi nahm, konnte er seine Verfolgerin auch leichter abschütteln, da ein gelbes Taxi ins Auge fiel, sobald sie die Innenstadt verließen. Er sah noch einmal auf den Stadtplan, bog an der nächste Ecke nach links, sah sich nicht um, schaute auch nicht in eines der großen Schaufenster. Wenn sie ein Profi war, würde er sich damit unweigerlich verraten. Er winkte sich ein Taxi.

    Anna bat ihren Chauffeur – wofür sie Sergei mittlerweile hielt –, sie in denselben Häuserblock zu fahren, den sie am Vortag besucht hatten. Anna hätte ihre Mutter gern angerufen und ihr gesagt, um wie viel Uhr sie eintreffen würde, aber das war nicht möglich, weil Elsa Petrescu keine Telefone mochte. Sie sind wie Aufzüge, hatte sie ihrer Tochter einmal gesagt, wenn sie kaputtgehen, kommt niemand, um sie zu reparieren und in jedem Fall schaffen sie nur unnötige Rechnungen. Anna wusste, dass ihre Mutter um sechs Uhr aufgestanden war, um dafür zu sorgen, dass ihre bereits makellos saubere Wohnung auch makellos sauber blieb. Mittlerweile hatte sie bestimmt alles zum dritten Mal abgestaubt und poliert.
    Als Sergei am Ende des Unkraut übersäten Weges an der Piazza Resitei hielt, sagte Anna zu ihm, dass er sie in ungefähr einer Stunde zurückerwarten dürfe. Anschließend wolle sie zum Otopeni Flughafen. Sergei nickte.
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    Ein Taxi hielt neben ihm. Jack ging zur Fahrerseite und bedeutete dem Fahrer, die Scheibe herunterzukurbeln.
    »Sprechen Sie Englisch?«
    »Ein wenig«, meinte der Fahrer zögernd.
    Jack schlug den Stadtplan auf und wies auf die Piazza Resitei, dann setzte er sich hinter den Fahrer. Der Taxifahrer schnitt eine ungläubige Grimasse und sah noch einmal zu Jack, um sicher zu gehen. Jack nickte. Der Fahrer zuckte mit den Schultern und machte sich an eine Fahrtstrecke, die noch nie zuvor ein Tourist von ihm verlangt hatte.
    Das Taxi fuhr auf die mittlere Spur und beide schauten in den Rückspiegel. Ein anderes Taxi folgte ihnen. Es gab kein Anzeichen eines Fahrgastes, aber sie hätte sich ohnehin nicht nach vorn gesetzt. Hatte er sie abgehängt oder saß sie in einem der drei Taxis, die er jetzt im Rückspiegel ausmachen konnte?
    Sie war ein Profi und würde bestimmt in einem jener Taxis sitzen. Und er hatte so ein Gefühl, dass sie auch genau wusste, wohin er unterwegs war.
    Jack war klar, dass jede Großstadt heruntergekommene Viertel besaß, aber etwas wie Berceni, mit seinen düsteren Betonklötzen, die an jeder Ecke des desolaten Slums – man konnte es nicht anders bezeichnen – standen, hatte er noch nie zuvor gesehen. Sogar über die Graffiti würde man in Harlem nur den Kopf schütteln.
    Das Taxi fuhr bereits langsamer, als Jack einen weiteren gelben Mercedes entdeckte, der wenige Meter vor ihnen am Straßenrand parkte. In einer Straße, in die sich noch nie zweimal in einem Jahr ein Taxi verirrt hatte.
    »Fahren Sie weiter«, wies er den Fahrer scharf an, aber der verlangsamte weiter. Jack klopfte dem Fahrer fest auf die Schulter und winkte hektisch nach vorn, um ihm zu bedeuten, dass er weiterfahren solle.
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    »Aber das Ort, nach dem Sie gefragt«, beharrte der Fahrer.
    »Weiterfahren«, rief Jack.
    Der erstaunte Fahrer zuckte mit den Schultern und beschleunigte an dem wartenden Taxi vorbei.
    »An der Ecke abbiegen«, befahl Jack und wies nach links. Der Fahrer nickte, jetzt noch verblüffter. Er wartete auf die nächste Anweisung. »Umkehren«, sagte Jack besonders deutlich, »und am Ende der Straße halten.«
    Der Fahrer führte die neue Anweisung aus, sah ständig nach hinten zu Jack. Der Ausdruck von Perplexität war fest in sein Gesicht gebrannt.
    Sobald sie standen, stieg Jack aus und ging langsam zur Ecke.
    Er verfluchte seinen unnötigen Fehler und fragte sich, wo die Frau jetzt war, denn sie hatte diesen Fehler nicht begangen. Er hätte vorhersehen sollen, dass Anna schon hier war und dass ihre einzige Transportmöglichkeit ein Taxi sein würde.
    Jack starrte zu dem grauen Betonhochhaus hinauf, in dem Anna ihre Mutter besuchte, und schwor sich, dass er

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