Die Farbe der Gier
genießen zu können in dem Wissen, dass Sie beide beschäftigt waren.«
»Wir haben die Pralinenschachtel aber nie gefunden«, sagte Arabella.
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»Und ich habe nie meine Sixpence-Münze erhalten«, erwiderte Andrews.
»Erinnern Sie sich noch, wo Sie sie versteckt hatten?«
Andrews dachte einen Augenblick über diese Frage nach, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.
»Ja, Mylady«, sagte er. »Und soweit ich weiß, ist die Pralinenschachtel immer noch dort.«
»Gut. denn ich möchte, dass Sie die Schachtel, die Simpson & Simpson anliefern ließen, an eben jenem Ort verstecken.«
»Wie Sie wünschen, Mylady.« Andrews versuchte, den Eindruck zu vermitteln, als habe er eine Ahnung, wovon seine Herrin sprach.
»Und am nächsten Weihnachtsfest, Andrews, werde ich versuchen, die Unterlagen zu finden. Sie dürfen mich nicht wissen lassen, wo sie versteckt sind.«
»Werde ich dieses Mal meine Sixpence-Münze bekommen, Mylady?«
»Sogar einen Shilling«, versprach Arabella. »Aber nur, wenn niemand anderes sie vorher findet.«
Anna machte es sich auf ihrem Fensterplatz im hinteren Teil der Touristenklasse bequem. Wenn sich der Mann, den Fenston ihr auf die Fersen gehetzt hatte, im Flugzeug befand, was sie vermutete, wusste Anna jetzt wenigstens, mit wem sie es zu tun hatte. Sie dachte über ihn nach und wie er herausgefunden haben mochte, dass sie in Bukarest war. Woher kannte er die Adresse ihrer Mutter? Und wusste er bereits, dass ihr nächstes Ziel Tokio lautete?
Der Mann, den sie vom Abfertigungsschalter aus beobachtet hatte, während er zu Sergeis Taxi gelaufen war und an die Scheibe geklopft hatte, wollte nicht von Sergei mitgenommen werden. Und Sergei hatte ihn offensichtlich auflaufen lassen.
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Anna fragte sich, ob es ihre Anrufe bei Tina waren, die sie verraten hatten. Sie war fest davon überzeugt, dass ihre Freundin sie niemals hintergehen würde, darum musste Tina
unwissentlich zur Komplizin geworden sein. Leapman war durchaus in der Lage, ihr Telefon anzuzapfen – oder Schlimmeres zu tun.
Anna hatte in den letzten beiden Gesprächen absichtlich Hinweise fallen lassen, um herauszufinden, ob sie abgehört wurden, und sie mussten sie tatsächlich belauscht haben: Ich gehe heim und da, wo ich hingehe, wird es viele Menschen geben, die so aussehen. Nächstes Mal würde sie eine Fährte legen, die Fenstons Mann in die völlig falsche Richtung lenkte.
Jack saß in der Businessklasse, nippte an einer Cola Light und versuchte, in den Ereignissen der vergangenen zwei Tage einen Sinn zu erkennen. Er beschattete eine Frau, die ein 60-Millionen-Dollar Gemälde gestohlen hatte. Aber hatte sie das Gemälde in Bukarest gelassen oder war es in die neue Kiste umgeladen worden, mit der Absicht, es in Hongkong zu verkaufen? Dann wanderten seine Gedanken zu der anderen Person, die Anna verfolgte. Das war schon einfacher zu erklären. Wenn Anna das Gemälde gestohlen hatte, arbeitete die Frau eindeutig für Fenston. Sie sollte Anna folgen, bis sie herausgefunden hatte, wo sich das Bild befand. Aber woher wusste sie immer, wo sich Anna befand? Und war ihr unterdessen klar, dass er ihr ebenfalls folgte? Wie lauteten ihre Anweisungen, sobald sie den van Gogh gefunden hatte? Jack beschlich das Gefühl, dass er seine Fehler nur wieder gutmachen konnte, wenn er beiden Frauen einen Schritt voraus war – und es auch blieb.
Er stellte fest, dass er in eine Art von Falle geraten war, vor der er seine Untergebenen stets warnte: Lasst euch nicht zu der Annahme verführen, dass euer Verdächtiger unschuldig ist. Die Geschworenen werden euch diese Entscheidung abnehmen.
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Geht immer davon aus, dass die Typen schuldig sind, und lasst euch gelegentlich – ganz, ganz selten – überraschen. Er erinnerte sich nicht, ob sein Ausbilder etwas darüber gesagt hatte, was man tun sollte, wenn man den Verdächtigen attraktiv fand.
Obwohl es im Ausbildungshandbuch des FBI eine Direktive gab, die da lautete: »Unter keinen Umständen darf ein Agent in eine persönliche Beziehung mit einer Person treten, gegen die ermittelt wird.« 1999 war das Handbuch nach einer Entscheidung durch den Kongress ergänzt worden und die Worte ›männlichen oder weiblichen Geschlechts‹ waren dem Begriff ›Person‹ nachgestellt worden.
Außerdem fragte sich Jack, was Anna mit dem van Gogh zu tun gedachte. Wenn sie das Gemälde in Hongkong verkaufen wollte, wo würde sie eine so gewaltige Geldsumme deponieren und wie lange
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