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Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Webb
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keine Antwort kam, gleich noch einmal, dringlicher. Wenn Hicks da war, machte er jedenfalls nicht auf.
    Malone versuchte es mit Klopfen an der nächsten Tür zur Rechten. Eine weißhaarige alte Dame öffnete ihr in einem blumenbedruckten Kittel mit rosa Rüschen um den Ausschnitt und an den aufgesetzten Taschen und Ärmelaufschlägen. Wo kriegen Omas so was bloß immer her? Sie kann das Teil nicht seit den Fünfzigern tragen, da wäre es längst zerfallen. Aber es ist doch undenkbar, dass es so was im einundzwanzigsten Jahrhundert noch irgendwo zu kaufen gibt, oder?
    Die Dame, Mrs. Sanchez, schien glücklich, über ihren reizenden Nachbarn plaudern zu können. Oder überhaupt plaudern zu können. »Er ist wahrscheinlich bei der Arbeit«, sagte sie. »Er arbeitet hart, der Junge. Nicht wie meine Söhne. Er arbeitet immerzu. Die meisten jungen Leute heutzutage fürchten sich vor harter Arbeit.«
    Malone hörte der alten Frau geduldig zu. Russo wurde es langweilig, und er strolchte davon, um zu sehen, was er aus den anderen Bewohnern herausholen konnte. Zu den vielen Details, die Mrs. Sanchez ihr mitteilte, gehörte auch die Information, dass der nette Lamar sowohl aufs College ging, als auch den Lieferwagen eines Fischhändlers fuhr. Er war so zuverlässig und vertrauenswürdig, dass er Erlaubnis hatte, den Wagen in seiner Freizeit auch privat zu nutzen. »Und Sie sind ganz sicher, dass Sie keinen Kaffee möchten? Ich hab auch einen leckeren kleinen Kuchen in der Küche, den ich dazu anbieten könnte. Ich nehme immer gern ein kleines Stückchen Kuchen zum Kaffee.«
    Malone bedankte sich, wies aber die Einladung zurück. Sie kam nicht davon, ohne dass die alte Dame sie am Arm packte und ihr ins Ohr zischte: »Sie sind ein nettes Mädchen, aber ich sage Ihnen was, mir gefällt nicht, wie der da aussieht. Behalten Sie ihn gut im Auge.« Sie blickte bedeutungsvoll in die Richtung, in der Russo verschwunden war.
    Malone versicherte ihr mit ernstem Gesicht, dass sie gut aufpassen würde.
    Mrs. Sanchez war es nicht gelungen, sich an den Namen des Fischhandels zu erinnern, für den Lamar arbeitete. Aber die Nachbarin auf der anderen Seite vielleicht. Mrs. Sanchez hatte allerdings Bedenken, was den Charakter ›des Mädels‹ anging. Sie zog ein Haus voller Gören auf, ohne dass ein Mann in Sicht war. Sie beaufsichtigte auch noch die Kinder anderer Frauen, die arbeiten mussten. Überhaupt sei sie der Typ, der sich in die Angelegenheiten anderer Leute einmischte. Nicht wie Mrs. Sanchez, die durchaus wusste, wann man seinen Mund zu halten hatte. Malone war direkt überrascht, dass die gesellige Mrs. Sanchez ihr nicht anbot, sie zur Nachbarin zu eskortieren.
    Jemand rief: »Sekunde!«, als Malone dort an die Tür klopfte. Eine gestresst aussehende, nicht mehr junge Frau öffnete schließlich. Hinter ihr sah – und hörte – Malone ein Zimmer voller Babys und Krabbelkinder. Die Frau, die sagte, ihr Name sei Beverly, wirkte ausgebrannt und müde. Sie sprach so schnell, dass Malone Mühe hatte zu folgen. Beverly schien helfen zu wollen, aber zugleich hatte sie es eilig, wieder hineinzugehen und alle Kinder im Blick zu behalten.
    Malone quetschte sie trotzdem aus. Ja, Beverly wusste, wo Lamar arbeitete. Boyd & Sons Seafood. Sie war ganz sicher, denn das stand auf der Seite seines Lieferwagens.
    Während sie sprach, blieben ihre Beine immer in Bewegung, wie bei einem merkwürdigen kleinen Tanz. Anfangs hatte Malone sich gefragt, ob sie vielleicht zur Toilette musste oder an einer nervösen Störung litt. Dann erkannte sie, dass die Frau ständig die Ausbruchsversuche einer Bande von wuselnden, lärmenden Krabblern parierte. Ihre Technik war beeindruckend, aber plötzlich machte sie eine falsche Bewegung, und ein dicker, quietschender Windelträger entkam nach draußen. Malone fing ihn ein, packte ihn unter den Armen und setzte ihn wieder hinter die Tür. Sobald das Kind sicher drinnen und ihre Arme wieder draußen waren, schlug Beverly die Tür zu, doch vorher murmelte sie noch: »Die alte Sanchez hat einen Narren an diesem Lamar gefressen. Ich trau ihm kein Stück.«
    Das Büro der Boyd & Sons Seafood Company war ordentlich und sauber. Der freundliche, tüchtige Eigentümer hieß Kessler, nicht Boyd. Sie fragte nicht, was aus Boyd und seinen Söhnen geworden war. Er sagte, Lamar sei einer seiner besten Leute. Der Junge stellte sich nicht an, wenn es darum ging, früh aufzustehen und zu liefern. Damit war er immer so zwischen zwei

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