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Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Farbe der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madison Smartt Bell
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langen rosa Härchen des Pullovers.
    Terrell fragte, ob es ihr wieder besser ginge. Ob er wenden und sie zurück nach Hause bringen sollte. Er gab ihr einen Streifen Kaugummi. Dentyne, glaube ich. Terrell pflegte seine Zähne fanatisch, und er glaubte, dass Dentyne bei dieser Mission eine Hilfe war. Mary Alice blinzelte mit ihren nassen Augen und sagte, nein, nein, es ginge schon wieder ... Terrell lächelte, zuckte die Achseln und lenkte den Pick-up zurück auf die Straße. Noch hatte er keine Ahnung.
    Doch der Rest des Films spulte sich dann sehr schnell ab. Ein braves katholisches Mädchen. Eine anständige katholische Familie. Also war natürlich ausgeschlossen, dass ... Das Mom-Ding biss sich auf die Lippen und rauchte. Dad schien nachsichtiger zu sein. Sie waren nicht das erste Pärchen, das früh anfing. Wenn sich neues Leben ankündigte, sollte man es begrüßen. Dieser Spruch kam bestimmt von einem Priester oder Pastor.
    Mary Alice war noch nichts anzusehen, aber sie saß züchtig auf der Stuhlkante, Augen niedergeschlagen, die weichen Hände schützend auf ihrem Bauchnabel, wie eine prüde kleine rosa-weiße Madonna. Terrell schaute sich dagegen mit dem Blick eines Wolfs, der in die Falle gegangen war, im Zimmer um.
    Es gab eine kleine, hastige Hochzeit
im intimen Kreis
, wie man wohl sagt – bloß die beiden Familien und die nicht mal vollständig. Die katholische Kirche – die Römer, wie wir sie nannten. Wurde Weihrauch verbrannt? Nicht in unserer kleinen Stadt. Aber ich sehe noch immer das Mom-Ding vor mir, das sich förmlich aufbäumte, als der Priester irgendwas Lateinisches brabbelte, als wäre sie eine Hexe und er ein Exorzist.
    Das alles muss ich mir einbilden, denn ich war nicht dabei. Und selbst Terrell war nicht richtig anwesend; niemand wusste, dass er sich zur Armee gemeldet hatte und nur wenige Tage später zur Grundausbildung gekarrt werden würde. Dann rüber nach Vietnam. Sollten doch die anderen mit dem Baby im Arm zurückbleiben.
    Ich jedoch nicht. Ich plünderte Dads Brieftasche und Moms Börse. Dann stieg ich in die Mansarde über der Garage. Nur knapp vor Moms zu erwartendem Angriff mit Spitzendeckchen und Rüschengardinen, mit Staubsauger und Desinfektionsmittel. Ich inhalierte den letzten Hauch des dunklen Geruchs nach Rauch und Verwesung, nach altem Blut und getrockneter Wichse. Aber ich war nicht aus sentimentalen Gründen gekommen. Ich nahm die zwei Packungen Newports und die Viertelliterflasche Whiskey und die dreißig Gramm Pot und das Bajonett und auch unser Steinmesser, weil ich ihm wirklich nichts lassen wollte.
    Nichts von dem, was wir einmal gehabt hatten. Wir hatten sechzehn Jahre zusammen gelebt, fünf davon hatte mein Bruder mich gevögelt. Ich trampte in die Stadt, zur Greyhound-Haltestellte neben der Bank, und kaufte mir eine Fahrkarte für den Sommer der Liebe.

53
    Ich drehte mich um, nachdem ich durch die Lücke im Zaun hinter meinem Wohnwagen geschlüpft war, und blickte noch einmal über die Wüste. Fahles Morgenlicht lag auf der weißen Weite, und ein flach gehender Wind trieb verdorrte Büsche vor sich her. Mir war, als würde ich am Horizont die Gestalt eines Menschen sehen, nicht größer als ein Streichholz und so schwerelos, geschmeidig und aufrecht, dass er offensichtlich nicht von unserer Art war. Umrahmt von der Maschendrahtraute, durch die ich spähte, schien er einen Pfeil in der Hand zu halten oder vielleicht einen Speer. Da spürte ich, dass er wohl gekommen war, um mir etwas anzukündigen. Irgendetwas.
    Ich lauschte, hörte nichts. Nur den windgepeitschten Schrei eines Vogels. Flatternd, schwindend. Möglicherweise eine Schwarzkehlammer.
Zacatonero garganta negra
.
    Ein Grollen von Maschinen in den östlichen Bergen, mahlend, pulverisierend. Die Linie zwischen dem zerklüfteten Höhenrücken und dem Himmel glühte weißlich rot, wurde intensiver. Brennend. Die Gestalt am Horizont war nun bloß noch ein vertikaler dunkler Strich. Sie verschwand, als der Sonnenaufgang schließlich überlief und sein rotgoldenes Licht über die ganze weiße Kargheit ergoss wie einen Blutstrom.

54
    Ich möchte, dass du mit Soundso mitgehst
, sagte D. manchmal zu den Mädchen.
Geh mit Bobby Bo
, oder
Geh mit Long-John Larry
. (Manche von ihnen gingen gern mit Long-John Larry mit, der seinen Spitznamen nicht ohne Grund bekommen hatte.)
Geh mit
bedeutete, dass der Typ uns haben konnte, solange er wollte und auf jede, wirklich jede Art, die ihm gefiel.
    Es gab ein paar

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