Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan von der Bank
Vom Netzwerk:
können. Was wir dann mit eurem Freund dem Fischer machen, wissen wir noch nicht. Aber euch werden wir natürlich mitnehmen.«
    Richard wandte sich zu Lina und Ole zurück und sah sie ohne jede weitere geheuchelte Freundlichkeit an.
    »Den Kaleu zu erschießen war eine ziemliche Dummheit, wisst ihr? Aber auch ohne das wärt ihr nicht um den Galgen herumgekommen. Auch du nicht, mein Freund Ole Storm!«
    Ole spuckte ihm herzhaft vor die Füße. Das war für den Freund ! Dann wiederholte er noch einmal Linas Frage.
    »Jetzt sag endlich, wer uns verraten hat?«
    »Wer? Ach Ole, das ist doch sonnenklar! Euer Kumpel hier, der Vorschoter des seligen Professors!«
    Ole erstarrte. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Lina regelrecht zusammenzuckte und dann in Sigurs Richtung herumfuhr.
    Dieser hielt den Blick gesenkt.
    »Gestern Nacht hat er ein Boot gestohlen, um von hier wegzukommen«, erklärte Richard.
    Er ging durch den Raum und baute sich neben Sigur auf.
    »Die Polizei hat ihn eine Stunde nach Mitternacht ein paar Kilometer nördlich von hier in der Nähe von Ellös aufgegriffen und uns sofort benachrichtigt. Da wollte er gerade das Boot gegen ein ebenfalls gestohlenes Auto eintauschen. Zweifellos, um sich damit ohne euch aus dem Staub zu machen!«
    Einen Augenblick lang herrschte lähmende Stille.
    »Är det sant, Sigur?«, fragte Lina dann.
    Ihre Stimme war leise und brüchig.
    »Du hast Tore hier im Stich gelassen? Und mich?«
    Sie bekam keine Antwort. Nicht mal einen Blick.
    »Jedenfalls hätten wir ohne seine Hilfe euer Versteck nicht so schnell gefunden!«, fuhr Richard in genießerischer Boshaftigkeit fort. »Er hat uns alles verraten, was wir wissen wollten, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Und sogar noch ein bisschen mehr! Zum Beispiel was ihr aus Marstrand mitgebracht habt … Her mit dem Rucksack!«
    Ohne jeden Widerstand, ohne überhaupt eine Form von Regung ließ Lina sich den Rucksack von einem der Schnellbootfahrer abnehmen. Alle Kraft schien aus ihrem Körper gewichen, und selbst als Korfmann die wasserdichte Büchse mit Hülsmeyers Plänen öffnete und eine triumphierende Bemerkung vom Stapel ließ, reagierte sie nicht.
    Absolut reglos starrte sie in Sigurs Richtung.
    Korfmann und zwei seiner Leute verließen die Baracke, die beiden anderen blieben als Bewacher zurück und fesselten Lina und Ole die Hände.
    Nach einer Weile hob Sigur den Kopf, was ihn sichtlich Überwindung kostete, und suchte Linas Blick.
    »Vad ska jag göra eftersom olika?«, fragte er.
    Was hätte ich denn machen sollen?
    Ohne etwas zu entgegnen, wandte Lina sich ab. Die Arme eng um den Oberkörper geschlungen, kauerte sie sich in der entgegengesetzten Ecke des Schuppens zusammen. Ole glaubte sie leise weinen zu hören, aber er war sich nicht sicher und traute sich auch nicht, zu ihr zu gehen.
    Zwei Stunden später starb Tore.
    Er war nicht noch einmal zu Bewusstsein gekommen. Keine letzten Worte, kein Blick, kein Händedruck wie bei Meister Rausch. Das Ende kündigte sich lediglich durch einen schwachen, aber lang anhaltenden Husten und die danach zusehends schleppender werdende Atmung an. Lina kauerte sich neben ihn. Man hatte ihnen die Hände vor und nicht hinter dem Körper gefesselt, weswegen sie Tores Hände in die ihren nehmen und festhalten konnte. Sigur äugte zu ihr und Tore hinüber, blieb jedoch, wo er war. Offenbar verspürte er keine Neigung, in ihre Nähe zu kommen. Und ihre beiden Bewacher hatten ohnehin herzlich wenig Interesse an Tores Zustand bekundet.
    Also kniete Ole neben ihr an Tores Sterbebett. Sie sah ihn nicht an, reichte ihm aber einen Lappen, mit dem er den Schweiß von Tores Stirn tupfen und seine Lippen befeuchten konnte. Eine ganze Weile lang lauschten sie darauf, wie der rasselnde Atem immer schwächer und langsamer wurde.
    Irgendwann war es einfach vorbei.
    Lina faltete ihm die Hände über der Brust, dann zog sie die grobe Wolldecke nach oben, die Lasses Frau ihnen gegeben hatte, und bedeckte damit sein Gesicht.
    Sie wirkte gefasst. Ihre Augen blieben trocken. Vielleicht, dachte Ole, weil sie die Tränen, die sie unter anderen Umständen für den Freund vergossen hätte, für ihre zerbrochene Liebe aufheben musste.
    Ole betete ein stilles Vaterunser für den Toten, verknüpft mit der inbrünstigen Bitte an Gott im Himmel, ihn nicht noch mehr Menschen sterben sehen zu lassen. Erst recht keine, wie er mit einem scheuen Blick zu Lina hinüber dachte, für die er tiefere Gefühle hegte

Weitere Kostenlose Bücher