Die Farbe der See (German Edition)
erleichtert auf. Sie würden nicht nach vorne sehen. Vorsichtig setzte er sich auf das Kopfende der Koje. Vermutlich war es das Beste, wenn er sich nicht rührte und einfach abwartete, bis sie wieder verschwanden.
Nebenan wurde ein Schapp geöffnet, Gläser klirrten, eine Flasche wurde entkorkt. In den Geruch von klammem Holz und Leinölfirnis mischte sich das zarte Aroma von Sherry und wenige Momente später der kräftige Qualm von Tabak. Eigentlich angenehm. Wenn nicht seine Lage so verdammt prekär gewesen wäre.
»Professor Sønstebye, Herr Admiral«, sagte Hülsmeyer. »Ich bin Ihnen zutiefst dankbar, dass Sie mir und Mr. Loomis mit dem Transport helfen wollen. Dennoch muss ich Sie nochmals darauf hinweisen, dass, sollte irgendwer davon Wind bekommen, speziell die Heeresversuchsanstalt, wir alle vier wegen Hochverrats an die Wand gestellt werden. Zuallererst Sie und ich, von Wellersdorff.«
Ole merkte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.
»Darüber sind wir uns durchaus im Klaren«, antwortete der Konteradmiral. »But we should continue in your language, Mr. Loomis.«
Alles Weitere wurde auf Englisch besprochen, von dem Ole nur ein paar einfache Brocken beherrschte und deswegen kaum etwas von dem Gesagten verstand. Ob ihn das allerdings retten würde, wenn man ihn hier vorne entdeckte, war zu bezweifeln. Also wagte er kaum, sich zu bewegen, auch wenn die harte Kante des Schlingerbretts der Koje inzwischen ein unangenehmes, taubes Gefühl in seinem Hintern verursachte.
Eine halbe Stunde später beendeten die vier Männer ihr Gespräch und verließen die Lydia wieder. Ole entschied, noch ein Weilchen zu warten, bevor er selber an Land ging. Sicherheitshalber.
Er ließ sich nach hinten gegen einen der Segelsäcke plumpsen und atmete tief durch. Was hatte er da gehört? Ein Transport? Vermutlich doch der, den der Konteradmiral zu organisieren hatte. Aber was hatte Hülsmeyer damit zu schaffen, der doch mit der Starbootregatta gar nichts zu tun hatte? Und was sollte dieser Transport, so heikel er auch sein mochte, mit Hochverrat zu tun haben?
Ole wurde kalt. Und das lag nicht daran, dass er lediglich sein weißes Sonntagshemd anhatte. Zwei Dinge hallten in seinem Kopf nach: Hochverrat. An die Wand gestellt.
Hätte Ole Storm tatsächlich Geld auf den Ausgang der Weltmeisterschaft verwettet, wie er es sich noch gestern Morgen gewünscht hatte, so hätte er nun einen schönen Gewinn eingestrichen.
Walter von Hütschler, für den er sich durchaus freute, und Richard Korfmann, dem er es weit weniger gönnte, ersegelten in beiden Läufen am Freitag einen ersten Platz und sicherten sich so den Weltmeistertitel. Zweiter wurde der Italiener Straulino vor dem Berliner Hans-Joachim Weise und dem amerikanischen Ex-Weltmeister Wegenforth.
Sie selber, von Wellersdorff und Ole, waren mit den beiden nicht gesegelten Rennen weit in die hintere Hälfte des Klassements zurückgefallen. Auf welchen Platz, das hätte Ole der am Takelschuppen ausgehängten Ergebnisliste entnehmen können. Aber um die machte er geflissentlich einen Bogen.
Auch die meisten übrigen Segler hatten anderes im Kopf als ihre Platzierungen. Jeder wollte so schnell wie möglich nach Hause. Masten wurden gelegt, Boote und Ausrüstung verzurrt und Reisegepäck verladen. Vielfach spielten sich anrührende Abschiedsszenen zwischen deutschen und ausländischen Seglern ab. Zur Preisverteilung war kaum noch ein Drittel der Teilnehmer anwesend, und wer noch geblieben war, dem war nicht sonderlich nach Feiern zumute. Walter von Hütschler war einer der Ersten, die sich nach der Zeremonie verabschiedeten. Unter anderem auch von Ole, den der herzliche Händedruck und das nochmalige Lob des Weltmeisters einigermaßen tröstete. Richard Korfmann hingegen, der mit geschwellter Brust und vor Stolz glühendem Gesicht einherging, als habe er selber und nicht Pimm gesteuert, ging Ole lieber aus dem Weg.
Der Konteradmiral blieb den ganzen Tag über unsichtbar. Genauso übrigens wie Lina, deren Gegenwart er, so musste Ole sich eingestehen, am meisten vermisste. Erst am Abend tauchten beide wieder auf.
Den Nachmittag über waren abermals schwere graue Wolken aufgezogen, und mit Hereinbrechen der Dunkelheit hatte es zu regnen begonnen. Eigentlich hätte Ole oben in der Segelmacherei zu tun gehabt, wo es jetzt warm und trocken war. Aber Meister Rausch hatte gebrummt, es wäre nur recht und billig, wenn er sich um das Boot des Konteradmirals kümmerte. Also putzte Ole
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