Die Farbe der See (German Edition)
den Star, legte den Mast und verzurrte beides für den Transport auf einem LKW-Anhänger der Marine. Als er alles nach bestem Wissen erledigt hatte, war er bis auf die Knochen nass. Er wollte gerade trockene Kleidung und eine Öljacke holen, die er für feuchte Segeltage in seinem Spind im Umkleideraum des Clubhauses aufbewahrte, als er Lina in Begleitung ihres Vaters, des Amerikaners Loomis und einiger englischer Segler aus dem Hauptportal kommen sah.
In Regenmäntel und Jacken gehüllt gingen sie hinunter auf die Mole und gestikulierten in Richtung Förde. Dort waren im Grau einer Regenwand die Positionslichter eines Dampfschleppers zu sehen.
Bei dessen Näherkommen konnte Ole erkennen, dass der Schlepper eine weiße Ordnungsnummer und das Kreuz der Kriegsmarine am Schornstein führte und eine flache, offene Schute vor sich her schob. Wenig später kam der Schubverband an der Spundwand des Olympiahafens längsseits, direkt vor dem Bootskran und den Starbooten. Die Festmacher gingen über, und oben in der Brückennock erschien von Wellersdorf. Zum ersten Mal sah Ole ihn in voller Uniform.
»Paul, Sie sind ein Teufelskerl!«, rief Sønstebye ihm zur Begrüßung hinauf.
Von Wellersdorff winkte müde ab.
»Fragen Sie nicht, was mich das gekostet hat! Das Signalwinken mit dem Edelmetall«, er zupfte an seinem Ärmelaufschlag, an dem der breite Goldstreifen eines Konteradmirals prangte, »war jedenfalls der kleinere Teil.«
Dann zog er einen schweren Uniformmantel über, kam den Niedergang hinunter und sprang an Land.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren!«, sagte er. »Die Sondergenehmigung für die Grenzpassage gilt nur bis morgen früh sechs Uhr. Und der Schlepper darf den Stützpunkt eigentlich gar nicht verlassen. Also, an die Arbeit!«
Drei amerikanische, vier englische, zwei schwedische und das algerische Starboot mussten auf die offene Ladefläche der Schute gekrant und das Gepäck ihrer Besatzungen auf dem Schlepper verstaut werden. Außer den von der »Evakuierung« betroffenen Seglern packten auch einige Clubmitglieder mit an. Ole und Meister Rausch waren unter ihnen. Richard Korfmann hingegen fehlte.
Es wurde nur das Nötigste gesprochen, und im regenmatten Schein der wenigen Lampen hatte das Ganze tatsächlich etwas von einem geheimen Kommandounternehmen.
»Um eins müssen wir ablegen«, trieb von Wellersdorff immer wieder zur Eile an. »Spätestens!«
Vermutlich war es nicht nur die knappe Zeit, die ihn so nervös machte, dachte Ole. Allzu deutlich hatte er noch Hülsmeyers bedrohlichen Satz vom »Hochverrat« im Ohr. Dass der Physiker früher oder später ebenfalls auftauchen würde, davon war Ole überzeugt. Und er sollte sich nicht getäuscht haben.
Es war kurz vor Mitternacht. Der letzte Star hing im Krangeschirr, und bis auf einen kleinen Rest war das Gepäck verladen. Ole war gerade auf dem Weg zum Clubhaus hinauf, als Hülsmeyer plötzlich vor ihm stand. Er hatte weder Hut noch Mantel an. Sein schütteres Haar klebte nass an seinem Kopf. Seine Nickelbrille war beschlagen. Die Augen dahinter verrieten Anspannung. Oder Angst.
»Haben Sie den Konteradmiral oder Professor Sønstebye gesehen?«, fragte er Ole.
Seine Hand krampfte sich um den Griff eines großen ledernen Reisekoffers, der so vollgestopft war, dass er in der Mitte bereits ordentlich ausbeulte. Plötzlich verstand Ole, dass der Physiker selber mit dem Transport außer Landes gelangen wollte.
»Unten, auf der Schute«, antwortete er. »Soll ich Ihnen mit dem Gepäck helfen?«
»Nein, nein!«, sagte Hülsmeyer hastig und zog den Koffer an sich, als müsse er ihn vor Ole schützen. »Den behalte ich!«
Dann verschwand er eiligst in die angegebene Richtung.
Als Ole kurz darauf mit einem letzten schweren Seesack auf den Schultern die Starbootbühne erreichte, sah er den Physiker vom Schiff herunterkommen, wo er sein ominöses Gepäckstück vermutlich abgestellt hatte.
Hülsmeyers Auftauchen und die besorgten Gesichter von Sønstebye, Loomis und von Wellersdorff beschäftigten Ole derart, dass er beim Betreten der regennassen Gangway des Schleppers um ein Haar ausgerutscht und mitsamt seiner Last ins Wasser gefallen wäre. Nur mühsam konnte er das Gleichgewicht halten und das Deck erreichen. Dort stand ein Ölmantel vor ihm. Die Kapuze wurde zurückgeschlagen und blonde Locken quollen darunter hervor.
»Bloß vorsichtig mit dem«, sagte Lina und lächelte. »Da sind Vaters und meine Sachen drin.«
Ole ließ den Seesack zu
Weitere Kostenlose Bücher