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Die Farbe der Träume

Die Farbe der Träume

Titel: Die Farbe der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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geträumt?«
    »Ja«, log Edwin. »Aber jetzt ist der Traum weg.«
    Nach dem Abendessen ließ Toby Orchard seine massige Gestalt in seinen Lieblingssessel fallen, zog an seiner Zigarre und sagte: »Ich habe mir durch den Kopf gehen lassen, wie wir Joseph benachrichtigen könnten, und es gibt nur zwei Möglichkeiten. Die eine sieht so aus, dass einer von uns nach Lyttelton fährt und dem Kapitän der Wallabi oder der Nelson einen Brief übergibt, den der dann an den Verwaltungsbeamten oder Bürovorsteher in Hokitika weiterleitet. Allerdings weiß ich nichts über die nächsten Abfahrttermine dieser Schiffe, so dass wir womöglich sehr viel Zeit verlieren.«
    »Vielleicht eilt es ja gar nicht so besonders?«, meinte Dorothy. »Das ist doch eine Nachricht, an der sich nichts ändert, Toby.«
    »Nein«, sagte Toby, »natürlich ›ändert‹ sie sich nicht, Doro. Aber wenn ein Mann seine Mutter verliert, sollte er es erfahren. Was das betrifft, hat Harriet vollkommen Recht. Also, die Alternative wäre, dass wir nach Amberley reiten und dort einen dieser waghalsigen Männer ansprechen, die über die Berge gehen, den Brief also einem Fremden unserer Wahl anvertrauen – in der Hoffnung, dass er und der Brief heil und unbeschädigt ihr Ziel erreichen.«
    »Man hört, dass nach einem weniger gefährlichen Weg gesucht wird«, sagte Dorothy. »Über einen der Pässe.«
    »Ja«, sagte Toby, »aber im Augenblick hilft uns das nicht weiter, Doro.«
    »Nein, ich wollte damit nur sagen, dass es eines Tages wirklich eine Straße geben wird.«
    Toby glaubte, seine Zigarre sei ausgegangen, und betrachtete sie skeptisch. Doch sie glühte noch ein wenig, und so konzentrierte er sich jetzt darauf, sie mit kräftigem Paffen wieder zum Leben zu erwecken, während Dorothy sagte: »Worüber ich schon die ganze Zeit nachdenke, ist, ob ein Brief, der Hokitika erreicht, auch notwendigerweise Joseph erreicht. Denn wo ist Joseph jetzt, Toby? Wir wissen es nicht.«
    »Nein«, sagte Toby. »Das wissen wir nicht. Und ich habe die Goldfelder in Otago gesehen, das war ein Gewimmel wie in einem Kaninchengehege, und überall die gleichen Gerätschaften, die gleichen Hütten und Verschläge; dort einen bestimmten Menschen zu finden wäre so gut wie unmöglich gewesen. Aber Harriet könnte ja eine Fotografie mitgeben – falls sie eine besitzt. Und die würde man herumzeigen.«
    Harriet entgegnete, sie besitze kein Foto von Joseph, er habe sich kein Hochzeitsfoto gewünscht, und das einzige Bild, auf dem man ihn eventuell erkennen könnte, sei zusammen mit Lilian beerdigt worden. Und im Geiste sah sie schon, wie die Entfernung zwischen Joseph und der Nachricht, die so wichtig für ihn war, immer größer wurde. Und es fiel ihr nicht schwer,sich vorzustellen, dass Wochen und Monate vergingen und irgendwo ein Brief herumirrte, der nie in Josephs Hände gelangte.
    »Es gibt keine Gewissheit …«, sagte sie.
    Toby und Dorothy blickten sie beide an und warteten auf die Fortsetzung ihres Satzes. Als die nicht kam, sagte Dorothy: »Die Entfernungen sind hier so gewaltig. Gar nicht mal so sehr in Kilometern, sondern es sind die Hindernisse auf dem Weg, mit denen wir zu kämpfen haben. Das stimmt doch, oder, Toby?«
    »Ja, Doro, das stimmt«, antwortete Toby. »Wenn das hier Amerika wäre, gäbe es längst eine Eisenbahn durch die Berge. Aber hier sind wir zu wenige, um sie zu bauen. Wir sind zu isoliert, zu allein.«
    In der Nacht schlich Edwin sich in Harriets Zimmer. Sie erwachte und sah ihn mit seiner Kerze zitternd vor ihr stehen, und da hob sie ihre Decke hoch, und der Junge kroch zu ihr ins Bett.
    »So …«, sagte sie.
    Edwin schwieg sehr lange. Dann sagte er: »Werden Sie Pare finden?«
    Edwins Kerze stand auf dem kleinen Tisch am Bett, und das flackernde Licht warf riesige Schatten an die Wand. Harriet streichelte Edwins Kopf, aber plötzlich kam ihr der monströse Schatten ihrer Hand wie eine fremde Kreatur vor, die sich gegen seinen Willen auf ihm niederließ, und sie fragte sich, ob ihre Zuneigung zu Edwin Orchard nur ihrer eigenen Kinderlosigkeit entsprang. Sie wusste keine Antwort und dachte, vielleicht würde sie sie auch nie finden, weil sie immer kinderlos bleiben würde.
    »Ist Pare bei ihrem Stamm?«, fragte sie.
    »Nein«, sagte Edwin. »Sie ist an einem anderen Ort, irgendwo oben, auf so einem hohen Felsen. Und unter ihr ist ein Wasserfall, der in einen Fluss stürzt«
    »Und wo ist dieser Wasserfall?«
    »Das weiß ich nicht. Sie ruft mich

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