Die Farbe des Himmels
Schwester. Auch wenn sie meine letzte lebende Verwandte ist, ich wünschte, ich müsste sie nie wieder sehen.
Soll sie das blöde Geld haben. Ich werde es ihr schicken, damit Ruhe ist. Es ist mir völlig egal, wofür sie es braucht und ob sie es mir je zurückzahlt, wenn sie mich nur für den Rest meines Lebens in Frieden lässt.
*
»Ich hab gerade mit dem Empfangschef vom ›Bellevue au Lac‹ in Lugano telefoniert.« Kümmerle sah zum ersten Mal an diesem Tag einigermaßen zufrieden aus. »Der hat mir verraten, dass unsere gute Frau Hauser nicht allein im Hotel gewohnt hat. Ein Mann war bei ihr. Und mit eben diesem Mann hat sie auch am Donnerstagmorgen um halb sechs Uhr ausgecheckt.«
»Hat der Mann auch einen Namen? Hieß er vielleicht Enrico Maschio?«, fragte Thea.
»Der hat sich leider nicht ausgewiesen. Aber danach werde ich sie fragen. Ich fahre gleich nach Sonnenberg raus.«
»Das ist die Chance deines Lebens!«, flachste Messmer. »Eine reiche Frau und noch dazu wieder frei. Du wolltest doch immer zur High Society gehören.«
Kümmerle warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Ich werde ihr bei der Gelegenheit auch das Bild von unserem ersten Tatverdächtigen zeigen. Bin gespannt, ob sie ihn kennt.«
»Vergiss nicht, eine Speichelprobe von ihr nehmen«, erinnerte ihn Joost. »Die Kriminaltechnik hat DNA-fähiges Material am Riss in der Tatwaffe gefunden. Und falls es von Helene Hauser stammt, dann wäre interessant, wie sie das erklärt. Schließlich hat Frau Baric das Ding am Dienstag erst geputzt.«
»Wird gemacht. Aber jemand muss heute noch zum Flughafen rausfahren, das Alibi und die Passagierlisten überprüfen.«
»Das kannst du doch gleich mit übernehmen, wenn du ohnehin in der Gegend bist«, schlug Koch vor.
»Muss das sein?«, stöhnte Kümmerle. »Eigentlich hab ich gar keine Lust auf die Flieger. Ich mag die nicht mal von unten sehen.«
»Der kriegt schon Höhenangst, wenn sein Bürostuhl mal zu hoch eingestellt ist«, erklärte Joost nachsichtig.
»Thea und ich können das machen«, sagte Messmer. »Wir haben eh einen Termin bei Hausers Firma in Möhringen, und die liegt praktisch auf dem Weg zum Flughafen.« Er drehte sich augenzwinkernd zu Thea um. »Vielleicht erwischen wir einen Flieger nach Nizza, wir wollten eh nach Monte Carlo, stimmt’s?«
Thea fing einen verständnislosen Blick Ströbeles auf, der aussah, als wolle er sagen: »War mir doch schon immer klar, dass der Junge nicht ganz dicht ist.«
Die Assistentin der Geschäftsleitung der Firma »Merkle & Hauser«, die sich als Sabine Sauer vorgestellt hatte, führte Thea und Messmer in ein Besprechungszimmer mit dunkelblauen Ledersesseln und einem Tisch aus hellem Holz, an dem leicht fünfundzwanzig Leute Platz hatten und auf dem alkoholfreie Getränke und Schalen mit Keksen standen. Die breite Fensterfront war mit Jalousien abgedunkelt.
»Ich gebe Herrn Klenk Bescheid, dass Sie hier sind. Bitte bedienen Sie sich.« Sie eilte davon.
Messmer schaute sich um. »Nicht schlecht, der Laden, was?« Thea betrachtete eine abstrakte Skulptur aus verrosteten Eisenstäben, die mit bunten Stofffetzen beklebt war. Erst nach längerem Hinsehen und mit viel Phantasie konnte sie einen männlichen Torso erkennen. »Allerdings. Da können wir mit unseren Wohnklobüros nicht mithalten.« Sie goss sich ein Glas Mineralwasser ein und war sicher, dass Messmer nicht nur den »Laden« attraktiv fand.
Sabine Sauer kam nach ein paar Minuten mit einem ernst wirkenden etwa sechzigjährigen Mann in schwarzem Anzug zurück.
»Das ist eine wirklich schlimme Sache«, sagte Walter Klenk statt einer Begrüßung. »Herr Hauser war sehr beliebt. Wir hoffen, dass Sie den Täter schnell finden.«
»Wir tun unser Möglichstes.« Messmers Blick lag auf Sabine Sauers gut geformtem Hinterteil, als sie sich nach vorn beugte und den Kaffee einschenkte. »Nehmen Sie doch Platz, wir möchten auch mit Ihnen sprechen.«
Sabine Sauer setzte sich Thea gegenüber.
»Könnten Sie uns einen Überblick über das Unternehmen geben? Uns interessiert besonders, ob Herr Hauser irgendwelche Feinde hatte«, sagte Messmer wieder an Walter Klenk gewandt.
»Feinde? Nein, davon ist mir nichts bekannt. Natürlich haben wir Konkurrenz. In Billiglohnländern wird viel günstiger produziert als bei uns.« Klenk strich sich das Haar zurück, so dass seine Geheimratsecken deutlich zu sehen waren. »In der Textilindustrie kriselt es schon seit Jahren. Nur die gesündesten
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