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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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würde er sich auf Mr Brights Spiel einlassen. Diese Netzwerkscheiße ging ihm sowieso auf den Geist.
    Die hell erleuchtete Eingangshalle war noch immer leer, als er sie durchquerte. Er würdigte die Empfangsdame keines Blickes, sondern ging stur geradeaus, bis er sicher draußen in der Nacht war. Er sah sich nicht noch mal um und nach oben schaute er auch nicht. Hier galt Brian Freemans Rat von damals nicht.
    Cass wartete, bis er um die nächste Ecke gebogen und außer Reichweite der Überwachungskameras der Bankzentrale war, bevor er sein Handy herausholte. Mr Bright wusste natürlich, dass er Fletcher anrief, aber die Vorstellung, dass er ihm vom Fenster aus dabei zusah, wäre zu viel des Guten gewesen. Er fühlte sich so schon beschmutzt genug.
    Fletcher ging beim zweiten Klingeln dran.
    »Ich bin dabei«, sagte Cass.
    »Wieso haben Sie Ihre Meinung geändert?«
    »Weil ich mich doch der Scheiß-Allgemeinheit verpflichtet fühle.« Er legte auf und seufzte. Weiter vorne lehnte der alte Landstreicher an einem niedrigen Straßenschild und hatte in einem armseligen Versuch, Mr Brights Eleganz zu imitieren, die Beine übereinandergeschlagen. Mit dem unteren Fuß klopfte er einen sanften Trommelrhythmus auf den Asphalt und grinste beim Spielen. DieMelodie war leicht und fröhlich, als wäre es Anfang Mai und der Penner würde die Nacht nach einem Abendessen im Savoy in einem Fünfsternehotel verbringen. Die Musik war Old School aus einer längst vergangenen Zeit von Zylinderhüten und Frackschößen. Cass fragte sich, ob das Leben damals einfacher gewesen war. Er hatte da seine Zweifel. Die meisten Menschen mussten in jener Zeit wahrscheinlich mehr zu Fuß gehen und härter arbeiten.
    »’n Abend, Detective.« Die Stimme des Landstreichers klang immer noch nach Schotter und Erde. »Sie haben Ihren Platz im Spiel gefunden?«
    Cass starrte ihn einen Augenblick lang an, während er sich eine Zigarette anzündete.
    »Ach, hau doch ab«, sagte er schließlich, bevor er sich auf die Suche nach einem Taxi machte. Der alte Mann spielte weiter, aber immerhin blieb er, wo er war, und das war schon mal etwas.

    »Was ist das für Musik?« Die Frage schwebte durch den Raum, als Abigail in den gepolsterten Schaumstoff sank, der sich an ihren Körper schmiegte. Die weißen Seitenteile des glänzenden Ovals schoben sich ein wenig nach oben, sodass sie außer der schlichten hohen Decke nichts sehen konnte. Zumindest dachte sie, die Seitenteile wären weiß, aber es war alles nicht mehr so einfach.
    »Können Sie die Musik hören?«
    Außer ihr waren im Augenblick noch zwei Frauen da; die eine war so still wie sie selbst, aber die andere heulte und schrie auf Russisch etwas wie Poschalsta! Poschalsta! Bitte! Bitte! Abigail erkannte die Sprache, konnte sich aber nur schwer konzentrieren. Irgendetwas passierte mit ihr – und das ging schon eine Ewigkeit so. Sie war in das Hotel gegangen, wo sie den Mann vom Telefon getroffenhatte, der sie über die Feuerleiter hinaus in die Gasse hinter der Küche geschleust hatte, wo ein schwarzer Wagen stand. Sie klammerte sich an den Ablauf und hangelte sich daran entlang, weil es wichtig war, dass sie sich an etwas Eigenes erinnerte, und nicht nur an das viele Zeug in ihrem Kopf.
    Der Mann hatte in einer der geschlossenen U-Bahn-Stationen auf sie gewartet und sie hierhergeführt, tief unter die Straßen der Stadt. Sie hatte keine Angst vor ihm gehabt und fürchtete sich auch jetzt nicht, obwohl ihr früheres Ich anderer Meinung war. Doch er hatte golden geleuchtet, als alles andere schwarz-weiß geworden war, und in diesem Leuchten lag etwas Gutes, dessen war sie sich sicher. Dann hatte er sie hier zurückgelassen, stunden-, vielleicht tagelang eingeschlossen in einem kleinen Zimmer, aber jetzt war er wieder da mit diesen beiden anderen jungen Frauen, in diesem sonderbaren hellen Raum mit den seltsamen weißen Sesseln. Und der Musik. Obwohl die Musik neu war.
    Jemand schnallte ihre Arme fest. Sie wehrte sich nicht, obwohl sie es erwog – doch sie hatte nicht genug Energie und wohin hätte sie auch fliehen sollen? Irgendetwas geschah mit ihr, sie veränderte sich. Ihr Kopf wurde wieder gefüllt, und wenn das nicht aufhörte, würde ihr noch der Schädel platzen.
    Als der goldene Mann sich über sie beugte, runzelte er die Stirn. Irgendwo schrie die Russin wieder. Abigail glaubte nicht, dass Schreien ihr etwas nützte. Es hörte sich an, als würde sie trotzdem festgeschnallt.
    »Hören Sie das

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