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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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Powell nicht länger als eine halbe Stunde in Anspruch nehmen. Wie lange konnte es schon dauern, einen einzigen Namen rauszurücken?
    »Wenn Sie meinen.«
    »Wir können sowieso nichts machen, bevor wir diese Anruflisten haben, und die Telefonleute machen Punkt fünf Schluss. Scheiß Verwaltung.«
    »Es hat aber auch was für sich, nicht nach dem Bonussystem arbeiten zu müssen«, sagte Armstrong noch.
    »Was Sie nicht sagen«, sagte Cass betont lässig. Er hätte erwartet, dass Armstrong nicht so unsensibel wäre, dieses Thema ausgerechnet ihm gegenüber anzuschneiden. War der Sergeant auf eine bestimmte Reaktion aus? Wenn ja, konnte er lange warten. »Dann könnten wir am Ende einer Schicht einfach nach Hause gehen und trotzdem unser Geld bekommen. Das wäre wirklich nett, oder?«

    Nigel Powell wohnte in der unteren Hälfte eines georgianischen Reihenhauses in einer Nebenstraße unweit der Fulham Road. Das Wohngebiet vermittelte die Gediegenheiteines grünen Vororts. Cass parkte ein paar Meter weiter auf einer für Anlieger reservierten Parkbucht und ging durch die niedrige Eingangspforte. Ein kurzer Weg führte durch eine Art Vorgarten zur Haustür. So schön, wie Haus und Straße waren, musste man in diesem Stadtteil sicher teuer dafür bezahlen.
    Cass klingelte und wartete. Als nichts passierte, klingelte er noch mal, und diesmal hörte er einen unterdrückten Schrei. Nachdem er kurz wie angewurzelt stehen geblieben war, schlug er mit der Handfläche fest an die Holztür.
    »Mr Powell?«, rief er.
    Er bückte sich und lugte durch den Briefkastenschlitz, konnte aber nur vier Beine erkennen, die so verschränkt waren, dass Cass es für einen Tanz hätte halten können, wenn eine Frau dabei gewesen wäre. Außerhalb seiner Sichtweite fiel etwas mit großem Getöse zu Boden und jemand stöhnte, als die Beine im Kampf außer Sichtweite gerieten.
    Scheiße.
    Cass riss sich die Jacke vom Leib und wickelte sie um seinen Arm, ehe er mit abgewandtem Gesicht den Ellbogen in eins der viereckigen Glasfenster neben der Tür rammte. Glücklicherweise waren es altmodische Sprossenfenster und keine schlagfesten Kunststoffscheiben. Er streckte die Hand durch das Loch und entriegelte das Fenster einhändig, während er mit der anderen den Holzrahmen fest nach oben schob.
    Er hörte, wie weiter hinten im Haus krachend Möbel umfielen, dann einen leisen schweren Aufprall. Mit klopfendem Herzen kletterte Cass ins Haus. Warum hatte er keinen Waffenschein, verdammte Scheiße? Und warum trug er keine Pistole bei sich? Er folgte dem Lärm durch das elegante Esszimmer bis in den Flur.
    »Mr Powell?«
    Wieder stöhnte jemand, und ein plötzlicher Schwall kalter Luft kam gleichzeitig mit dem Blut auf ihn zu, das über eine Türschwelle links von Cass auf den schwarz-weiß gefliesten Boden floss.
    Ein Mann mittleren Alters lag auf dem Küchenboden neben einem Holzstuhl, den er im Fallen mitgerissen hatte. Die Hintertür stand offen. Scheiße . Cass sprang über den Verletzten in den Garten und schrie: »Hey! Sie da! Stehen bleiben!«
    Ein dünner Mann mit schulterlangem Haar schwang lässig ein Bein über die hohe Gartenmauer. Kurz bevor er auf der anderen Seite verschwand, lächelte er Cass an. Obwohl sein Gesicht zur Hälfte hinter dem Schleier schwarzer Haare verborgen war, stachelte dieses Bild Cass’ Erinnerung an. Er kannte das Gesicht. Wo hatte er den Mann bloß schon mal gesehen?
    Er legte die Hände auf die rauen Mauersteine und zog sich hoch, bis er den jungen Mann entdeckte, der in einiger Entfernung davonlief. Sie waren hier nicht beim Film und Cass würde ihn nie im Leben einholen. Stattdessen ließ er sich ins Gras zurückfallen und rannte wieder ins Haus. Er war wegen eines Namens hier, und den wollte er immer noch.
    Nigel Powell sah nicht gut aus. Die tiefe Stichwunde hatte sein weißes Hemd rot gefärbt und sein Gesicht wurde langsam grau, während das Lebensblut in eine warme Pfütze floss. Cass ging neben ihm in die Hocke.
    »Notarzt«, murmelte Powell, der selbst dieses eine Wort nur mühsam hervorbrachte.
    »Wie hieß der Arzt, der in jener Nacht gearbeitet hat? Tun Sie bloß nicht so, als wüssten Sie es nicht. Deswegen hat man Sie schließlich gerade abgestochen.« Er ließ denBlick über die erstklassige Kücheneinrichtung schweifen. »Hat es mit den Ereignissen jener Nacht zu tun, dass Sie sich das hier leisten konnten?« Er beugte sich vor. »Und, war es das wert?«
    »Notarzt.« Eine Hand umklammerte seinen Arm.

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