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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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Die Finger waren kalt und feucht.
    »Name.« Cass bemühte sich, nicht allzu dringlich zu klingen, aber die Bauchverletzung des Mannes sah überhaupt nicht gut aus, weder die Stelle noch die Blutmenge, die sekündlich herausgepumpt wurde. Er hatte nicht die geringste Überlebenschance.
    »Dr. Shearman«, flüsterte Powell. »Richard Shearman. Ich hatte nichts damit zu tun. Ich habe … ich habe die Sache nur begünstigt.« Sein Atem war nasses Rasseln. »Und jetzt rufen Sie den Notarzt, bitte. «
    Cass stand auf und schob sich langsam rückwärts, wobei er darauf achtete, nicht in die klebrige rote Suppe zu treten. Powells Blick folgte ihm voller Panik. Cass starrte ihn an. Ich habe es nur begünstigt . Was für ein Scheißwort: begünstigt. Er hatte sich an einer Verschwörung beteiligt, bei der ein Baby gestohlen worden war. Wegen dieser Verschwörung waren die Grays gestorben, die das Pech gehabt hatten, zur gleichen Zeit Eltern zu werden wie Christian und Jessica Jones. Ein Paar, das sich glücklich gewähnt hatte, privatärztlich versorgt zu werden. Ein Paar, dessen »Glück« stets nur auf den Entscheidungen anderer beruht hatte. Die Grays hatten es auch diesem Mann zu verdanken, dass sie tot waren und das Schicksal zweier kleiner Jungen vertauscht worden war. Der eine war im Schlaf erschossen worden, der andere verschollen. Begünstigt . Cass kam es hoch.
    »Sie verstehen das nicht.« Der Mann am Boden wollte einen Arm heben, doch er fiel zurück. »Ich weiß, wer Siesind. Sie verstehen das nicht.« Powell zuckte zusammen, die Mundwinkel verzogen sich nach unten. Seine Gesichtsfarbe verblasste über das Grau hinaus zu einem tödlichen Weiß. »Notarzt. Bitte. «
    »So viel Zeit haben Sie nicht mehr, ist Ihnen das nicht klar?« Cass brannte vor kalter Wut. »Sie haben lange genug in Krankenhäusern gearbeitet, um das zu wissen, oder etwa nicht?«
    Powells Mund bewegte sich wieder, doch er konnte nichts mehr sagen. Er starrte Cass mit den letzten Lebensfunken an, um ihn anzuflehen, etwas zu unternehmen. Cass hielt diesem Blick stand, bis das Licht in den Augen des Sterbenden ausging. Es verlosch nicht, es wurde einfach ausgeknipst. So kam der Tod zu jedem Menschen.
    Erst jetzt merkte Cass, dass seine Hände zitterten. In seinem tiefsten Innern erschauerte er. Warum fühlte er sich, als hätte er Powell das Messer selbst in den Bauch gerammt? Weil er sich auf eine gewisse Art freute, dass der Mann tot war? Weil der Mann, wenn auch nur kurz, all jene repräsentiert hatte, die seiner Familie geschadet hatten? Hatten sie auch ihn getötet, Mr Bright und das Netzwerk – weil Cass nach Luke suchte? Warum hätten sie sonst auf einmal befürchten sollen, dass er den Mund aufmachte, wenn sie ihm vor vielen Jahren sein Schweigen abgekauft hatten und er nie etwas gesagt hatte? Das ergab keinen Sinn.
    Cass ging zur Spüle und spritzte sich Wasser ins Gesicht, ehe er sich umdrehte und anlehnte. Unabhängig von den Hintergründen handelte es sich um einen Mord, den er melden musste, wenn die Nachbarn es nicht längst getan hatten. Wie sollte er seine Anwesenheit am Tatort erklären, ohne seiner ohnehin ramponierten Karriere den Todesstoß zu versetzen? Er hatte keine Ahnung, aber ihmwürde hoffentlich etwas einfallen, bis der Streifenwagen vorfuhr.
    Er ließ den Kopf sinken und holte tief Luft, um seinen Herzschlag zu beruhigen. Er musste sich zusammenreißen. Immerhin hatte er den Namen des Arztes, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in jener Nacht die beiden Babys vertauscht hatte. Er würde das Arschloch finden und dann würde der Mann dafür bezahlen.
    Mitten im Ausatmen runzelte er plötzlich die Stirn. Unter dem Küchentisch lag ein Messer. Cass starrte es eine Sekunde lang an, ehe er in die Hocke ging, um es näher zu untersuchen. An der silberfarbenen Klinge klebte Blut, aber der Griff war ziemlich sauber. Er war nicht gerade, sondern das Holz war am Ende gebogen, wo der kleine Finger läge, wenn man es in die Hand nehmen würde. Kleine rautenförmige Stahlpunkte verliefen in der Mitte. Es sah genauso aus wie seine Messer zu Hause. Cass warf einen Blick auf die Arbeitsfläche mit dem vollständigen Messerblock. Die silbernen Griffe glänzten; gebogen waren sie nicht.
    Nachdem er sich aufgerappelt hatte, nahm er ein Geschirrtuch als Handschuh und öffnete sämtliche Küchenschubladen und Schränke auf der Suche nach einem zweiten Messerblock. Vergeblich. Frustriert stöhnte er auf und knallte die

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