Die Farben der Finsternis (German Edition)
sie den Atem an. Castor Brights Augen brannten, als er sich gestattete, Gestalt anzunehmen . Angesichts dieser Befreiung lachte er vor Freude, und strahlendes Licht erleuchtete den Raum, verwandelte Gold erst in Weiß und dann in etwas,was noch heller strahlte. Als Asher Red zu schreien begann, merkte Mr Bright es kaum. In den kurzen Augenblicken, bevor der Mann starb, offenbarte Mr Bright ihm sein Geheimnis – er zeigte alles, was er war, alles, was er je gewesen war und je sein würde und all die schreckliche Macht und Herrlichkeit, die in dem Leuchten lag.
Mr Bellew mochte die Kühle seines neuen, unterirdischen Hauptquartiers. Das Versteck war im Grunde für alle sichtbar. Es war lange her, seit ein Angehöriger des Netzwerks die Nebentunnel und die leer stehenden Räume besucht hatte, in denen die Zentrale früher untergebracht war. Als das U-Bahn-Netz vor über hundertfünfzig Jahren erbaut worden war, hatte es noch Neuigkeitswert gehabt, aber das hatte sich rasch abgenutzt, zumal nur einige wenige Gefallen an dem Gedanken fanden, die Eingeweide einer Welt zu bewohnen, die ihnen gehörte, statt hoch über ihr zu thronen. Doch Mr Bellew hatte noch nie etwas für Metaphern übriggehabt und das alte Hauptquartier erfüllte seinen Zweck.
Er beobachtete die drei Frauen in den sonderbaren weißen Schalen, die identisch mit jenen waren, die weit entfernt im Haus der Intervention standen. Im Laufe des Tages hatten sie viel geschrien, aber das ließ sich nicht ändern. Er hatte sie weiterdrängen müssen, denn er hatte keine Zeit, ihnen tröstend darüber hinwegzuhelfen. Unter den gegebenen Umständen vollzogen sich die Veränderungen schneller, als er oder die Techniker es erwartet hatten – andererseits hatte keiner von ihnen so etwas je zuvor gesehen, auch Mr Bellew nicht. Wie denn auch?
Die körperliche Verwandlung war zuletzt mit jenen gekommen, die vor ihrem Tod ihre Fähigkeiten weitergegeben hatten, und es bestand kein Anlass zu dem Verdacht,dass es mit diesen Frauen anders sein würde. Darüber freute er sich sehr. Im Augenblick brauchte er sie so, wie sie waren, und soweit er das beurteilen konnte, deutete höchstens der ungesunde Schweiß auf ihrer Haut auf die chemischen Veränderungen hin, die in ihren schlichten Körpern wüteten.
Alle drei hatten fast unmittelbar angefangen zu projizieren, nachdem sie an die Maschinen angeschlossen worden waren, doch der Datenfluss des Porter-Mädchens war am interessantesten. Während über die Bildschirme der anderen jungen Frauen zumindest bisher beliebige sinnentleerte Bilder liefen, projizierte Abigail Porter gezielt. Die Gesichter waren allesamt gut zu erkennen – es handelte sich um Politiker und Geschäftsleute mit Einfluss, getrieben von unterschiedlichen Ambitionen. Zu vielen dieser Persönlichkeiten musste er ihr gar keine Fragen stellen, denn diese Information wurde bereits im Haus verarbeitet, als sie in ihre Führungspositionen aufgestiegen oder dorthin gerückt worden war. Das Haus hatte darauf hingewiesen, wer in dieser instabilen Welt für mehr Gleichgewicht sorgen könnte, und dementsprechend wurden sie pflichtgemäß erwählt. Mr Bellew dagegen hatte vor, ein wenig Ungleichgewicht hinzuzufügen, um seine eigene Sache voranzutreiben – nämlich ein wenig Chaos zurückzubringen. Mit einem Hauch von Stolz lächelte er über seinen eigenen Witz. Esprit hatte er normalerweise nicht im Repertoire, aber möglicherweise hatte Mr Bright ihm doch etwas beigebracht.
Das letzte Bild, das Abigail Porter projizierte, weckte sein besonderes Interesse: ein Mann, über den er alles und nichts wusste – Cassius Jones. Immer und immer wieder blitzte das Bild des dunkelhaarigen, mürrischen Polizisten über einen oder alle Bildschirme, die sie belieferte, und dazu summte sie eine leise, alte Melodie, die er nicht richtigerkennen konnte. Sobald sie die Stille störte, stimmten die anderen lautlos ein und ihre Bildschirme setzten einen Augenblick lang aus. Das Bild dieses Mannes beunruhigte Mr Bellew. Mr Bright dachte, außer ihm hätte niemand seiner Überwachung der Blutlinien Aufmerksamkeit geschenkt, aber sie hatten alle gut aufgepasst, als er die Familie Jones zusammengeführt hatte. Beide Seiten waren direkte Abkömmlinge gewesen. Diese Projektion war der Onkel des Jungen – des Jungen, dessen verborgene Existenz es Mr Bellew – mitsamt einer unterschwelligen Loyalität aus längst vergangenen Zeiten – so schwer gemacht hatte, Unterstützer zu finden …
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