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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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irgendetwas davon erzählt.« Cass hob den Blick von den Fotos der Toten, die auf dem Papier lächelten, sich nachts jedoch mit kalten Fingern an ihn klammerten. »Ich weiß wenig über die Jugend von heute, aber geredet wird immer noch. Wieso haben sie so heimlich getan?«
    Dr. Shearman kaute auf seiner Unterlippe und wand sich auf seinem Stuhl. Der war kein kalter Fisch.
    »Hypnose«, sagte er schließlich. »Bei der Einführungsuntersuchung haben wir sie auf ihre Empfänglichkeit getestet. Unter Hypnose wurde ihnen dann suggeriert, dass sie nicht über das Programm sprechen durften. Das Verbot kam von der Firma, die das Ganze finanzierte. Mir wurde gesagt, sie wollten nicht, dass die Studenten von der Behandlung erzählten, weil wir sonst von Bewerbern überranntwürden, die wegen des leicht verdienten Geldes Phobien nur vortäuschen würden.«
    »Weil Sie so gut gezahlt haben.« Cass beugte sich vor. »Warum gab es denn so viel Geld dafür?«
    »Ich habe bezahlt, was man mir gesagt hat.«
    »Ich dachte, Sie würden Ihr eigenes Forschungsprojekt leiten, aber vielleicht sind Sie nur eine Marionette. Wer ist denn der großzügige Sponsor?«
    »Ein Unternehmen namens HMG Investments, eine Tochtergesellschaft Der Bank.« Dr. Shearman kratzte sich mit einem Finger die Haut seines Daumens ab. Wenn er nicht aufpasste, würde er gleich anfangen zu bluten.
    »Wie könnte es anders sein? Flush5 gehört auch Der Bank, nicht wahr? Und Ihre Einrichtung ist mit Flush5 verbunden. Aber geben Sie mir einen Namen.«
    »Bitte …« Dr. Shearman flehte mit Blicken um Gnade. Da kannte er Cass Jones aber schlecht. »Ich hatte diese Studenten schon wochenlang nicht mehr gesehen, als sie starben. Ich konnte mich kaum noch an ihre Gesichter erinnern, von ihren Namen ganz zu schweigen. Ich führe die eigentliche Behandlung auch gar nicht persönlich durch, sondern überwache sie nur und überprüfe die Ergebnisse. Die Namen bekomme ich eigentlich auch nur zu Gesicht, wenn er kommt, um sich die Gehirnscans anzusehen.« Er brach abrupt ab und senkte schuldbewusst den Blick.
    »Wer?«, fragte Cass sanft.
    »Niemand, nichts.«
    »Es gab noch jemanden, der sich für die Gehirnscans interessiert hat?«
    »Ich sage nichts mehr ohne meinen Anwalt.« Dr. Shearman fuhr sich mit der Hand durch die Locken. Sie glänzten schweißnass. Er hielt sich schlecht.
    »Sie haben Ihre Schäfchen im Trockenen, nicht wahr?«,sagte Cass locker. »Ein schöner Arbeitsplatz mitten in der Stadt. Keine runtergekommene Krankenhausstation, Sie doch nicht. Doch all das wird Ihnen nicht helfen, wenn Sie wegen fünffachen Totschlags angeklagt werden. Lebenslänglich bekommen Sie wahrscheinlich nicht, trotzdem werden Sie den Rest Ihrer Tage im Gefängnis verbringen.«
    »Aber ich habe nicht …«
    »Es spielt keine Rolle, dass Ihr angebliches scheiß Programm schon Wochen vor dem Tod der Studenten vorbei war«, knurrte Cass. »Es ist ein Leichtes, zu behaupten, dass irgendetwas in Ihrem geheimen Forschungsprojekt die Selbstmorde ausgelöst hat, weil es keinen anderen Zusammenhang gibt, verstehen Sie das denn nicht? Der Mensch holt sich die Antworten, wo er sie findet. Und wahrscheinlich wird das Gericht herausfinden, dass vor Jahren während Ihrer einzigen Schicht auf der allerersten Flush5-Station im Portman Hospital ein Baby gestorben ist, und schon stehen Sie als völlig inkompetent da. Flush5 wird sich hübsch raushalten – die finden einen Weg, Sie hängen zu lassen und sich selbst von allem zu distanzieren.« Er beobachtete, wie Dr. Shearman seinen Blick hektisch durchs Zimmer schweifen ließ, als könnte sich auf wundersame Weise irgendwo ein Ausweg aus dieser Situation auftun. Dann fügte Cass hinzu: »Erst recht, wenn man bedenkt, dass das Baby gar nicht gestorben ist, nicht wahr, Herr Doktor?«
    »Woher wissen Sie …?« Dr. Shearman zuckte zurück, als hätte ihn jemand ins Gesicht geschlagen. »O Gott, ich habe immer geahnt, dass es schiefgeht. Ich hätte es wissen müssen.« Er legte den Kopf in die Hände und holte zweimal tief Luft. Cass dachte, er wollte sich vielleicht beruhigen, damit er nicht anfing zu weinen. Schwache Menschen dachten immer, es wäre nicht ihre Schuld, wenn siein schlimme Dinge verwickelt waren, weil sie nicht richtig nachgedacht hatten. Doch diese Ausrede schluckte er nie. Niemand dachte jemals richtig nach – man traf eben beliebige egoistische Entscheidungen. Einige Leute waren nur besser darin, die Folgen zu akzeptieren, als

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