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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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beinahe exklusiv für Die Bank tätig sowie für einige ihrer …«, Marlowe zögerte und mied Cass’ Blick, »… nennen wir sie Investoren.«
    Cass fühlte sich wie bei einem unsichtbaren Schachspiel. An diesem Punkt war er schon einmal gewesen, doch jetzt kannte er wenigstens einige der Figuren. Die Bank. Das Netzwerk. Das Leuchten. Und selbstverständlich Mr Bright und seinen toten Partner Mr Solomon, den Fliegenmann.
    »Fahren Sie fort.«
    »Ich hatte im Zusammenhang mit den rechtlichen Angelegenheiten verschiedener Tochtergesellschaften Der Bank mehrmals mit Ihrem Bruder zu tun. Allem Anschein nach war er sehr angesehen. Lange Zeit hatte ich hauptsächlich mit einem Mann namens Asher Red zu tun …«
    »Den kenne ich.«
    »Nun, dann wissen Sie ja, dass es nicht so einfach ist, ihn kennenzulernen oder gar mit ihm klarzukommen.« Als Marlowe lächelte, sah Cass, dass sein Zahnfleisch weiß verfärbt war. Dieser Anwalt hatte nichts Gesundes mehr an sich, obwohl in seinem dichten braunen Haar noch kein Anflug von Grau zu sehen war. Wie alt mochte er sein? Fünfundvierzig? Höchstens fünfzig.
    »Kann man wohl sagen.«
    »Ihr Bruder war anders. Er kam immer in mein Büro, um die Zahlen und Details mit mir durchzusprechen, und wir wurden – also, ich würde sagen, auf eine stille Art Freunde. Er war ein ungewöhnlicher Mann, nicht wahr?«
    Cass nickte und schämte sich mal wieder, wie so oft, wenn von Christian die Rede war. In letzter Zeit war ihmein für alle Mal klar geworden, dass er seinen kleinen Bruder überhaupt nicht gekannt hatte.
    »Er hatte einen brillanten Kopf für Zahlen«, fuhr Marlowe fort, »aber ich mochte ihn besonders dafür, dass er auch darüber hinausdachte. Die meisten Buchhalter, Männer wie Asher Red zum Beispiel, denken nur in Summen – sie sehen nur den Geldwert einer Sache. Gewinn und Verlust bewerten sie nur nach Zahlen. So war Ihr Bruder nicht. Er kalkulierte auch die Menschen mit ein. Er war ehrlich bis ins Mark, und ich glaube nicht, dass er anders hätte sein können. Eine seltsame Wahl für einen so hohen Posten bei Der Bank.«
    Cass behielt seine ausdruckslose Miene bei. Er hatte niemandem von den dubiosen Zahlen Der Bank und ihrem Interesse an der Familie Jones erzählt, und er würde jetzt nicht damit anfangen, nur weil der Mann behauptete, Christians Freund gewesen zu sein. Das ging ihn nichts an und soweit es Cass betraf, war die ganze Sache sowieso gelaufen. Sein Vater und sein Bruder hatten sich mit Mr Bright eingelassen und es war ihnen schlecht bekommen. Er hatte jedenfalls vor, gehörigen Abstand zu wahren. Es gibt kein Leuchten.
    »Er sah in den Menschen nicht nur ihr Geld«, sinnierte Marlowe, »und das ist wirklich sehr außergewöhnlich, finden Sie nicht auch?«
    Cass erinnerte sich an seine eigenen morgendlichen Überlegungen zum Thema Geld: Christians Lebensversicherung, die Boni …
    »Mein Bruder war manchmal recht naiv.«
    »Ja.« Marlowe lächelte. »Aber das kann man auch charmant finden. Ich hatte ihn gern. Ich hatte ihn sehr gern. Es hat mir sehr leidgetan, als ich gehört habe, was ihm und seiner Familie zugestoßen ist.«
    »Würden Sie bitte zum Wesentlichen kommen?«
    Marlowe zuckte ein wenig zusammen und Cass hatte keine Probleme, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Diesem Bruder geht Christians Güte völlig ab. Der ist kalt wie eine Hundeschnauze . Da konnte Marlowe schon recht haben.
    »Nachdem ich die tödliche Diagnose erhalten hatte, kam Ihr Bruder noch mal zu mir.« Marlowe hatte keine Eile; offenbar war er entschlossen, in seinem eigenen Tempo fortzufahren. »Es ist schon seltsam, im fortgeschrittenen Alter zu begreifen, dass man eigentlich kaum jemanden richtig kennt. In der Schule hat man noch endlos viele Freunde und an der Universität ist es auch nicht anders.« Er lächelte. »Und dann ist man plötzlich vierzig und der Kreis, in dem man sich bewegt, schrumpft so sehr zusammen, dass er bisweilen ganz zu verschwinden scheint. Man heiratet, lässt sich scheiden, und danach ist es einfacher, die gemeinsamen Freunde zu vernachlässigen, als sich um ein unverkrampftes Verhältnis mit ihnen zu bemühen. Ich persönlich habe mich durch den verkrampften Teil hindurchgetrunken. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, half mir das Trinken über das meiste hinweg, seit ich ungefähr zwanzig war.« Er blickte nach unten auf seine kurz geschnittenen Fingernägel. »Das dürfte der Grund dafür sein, warum ich bei Christian im Büro anrief, nachdem ich

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