Die Farben der Finsternis (German Edition)
explodiert die erste Bombe.«
»Ein schwerer Typ«, kommentierte Dawson. »Trotzdem bewegt er sich gut.«
Abigail, die hinten stand, sah gar nicht hin. Das war nicht ihre Aufgabe, außerdem war sie müde. Als das Handy in ihrer Hosentasche vibrierte, holte sie es heraus. Eine Sekunde lang starrte sie auf das Display, bevor sie den Namen wirklich registrierte. Hayley. Was konnte Hayley von ihr wollen? Ohne zu antworten, steckte sie das Handy wieder ein. Das musste warten.
»Zu gut«, fand Fletcher. »Das ist genau das Problem.«
»Jetzt kommen die Bänder von der Goodge Street um 13:09 Uhr.« Dunne präsentierte ein zweites Video. »Eine Minute bevor drei Wagen der Northern Line explodierten, als die Bahn gerade in die Tottenham Court Road Station einfuhr.«
»Aber das ist derselbe Mann«, sagte Dawson.
»Das habe ich auch gesagt«, erwiderte McDonnell, »als Sie eben reinkamen.«
»Das war leider noch nicht alles.« Fletcher beugte sich vor und legte die Arme auf den Schreibtisch. »Die Überwachungskameras haben ihn auch noch oben an der Liverpool Street Station aufgezeichnet – wenige Minuten bevordort die Bombe hochging. Außerdem wurde er gesehen, als er an der Haltestelle vor dem Ealing Broadway aus dem 37er-Bus stieg, genau eine Minute bevor er auf dem Video zu sehen war, als er aus dem Pri-Maxx kam.«
Abigails Handy summte erneut in der Stille, die sich über den Besprechungsraum gelegt hatte. Hayley. Sie drückte den Anruf rasch weg, doch während sie der Premierministerin einen entschuldigenden Blick zuwarf, dachte sie darüber nach. Es gab keinen Grund, warum Hayley sie anrufen sollte. Es war lange her, seit ihre kleine Schwester zuletzt ein Schwätzchen mit ihr hatte halten wollen, und wenn ihren Eltern etwas passiert wäre, hätte Abigail es als Erste erfahren. Sie waren neun Jahre auseinander, und obwohl Abigail den Umzug ihrer Schwester zum Studium nach London zu einer Zeit, als sie selbst gerade angefangen hatte ein eigenes Leben zu führen, für die Entfremdung verantwortlich machte, wusste sie in ihrem Innersten, dass das nicht stimmte. Sie hatte sich distanziert – sie hatte sich von allen distanziert. Auf einmal war sie traurig, als erinnerte sie sich an einen Ort, der ihr früher etwas bedeutet hatte und an den sie nie zurückkehren konnte.
»Das kann nicht sein«, sagte McDonnell. »Er kann nicht überall gleichzeitig sein. Es muss eine andere Erklärung geben. Von dem Mann muss es mehrere geben.«
»Diese Theorie überprüfen wir gerade«, sagte Dunne.
»Sie sehen identisch aus.« Dawson starrte auf den Bildschirm. »Sogar die Kleidung – und die Art, wie sie sich bewegen. Es ist geradezu unheimlich.«
»Wo gehen sie hin?« Die Premierministerin sah Dunne an. »Haben Sie eine Route gefunden, die zum Tatort oder davon wegführt?«
Fletcher und Dunne tauschten einen Blick aus. Abigail vergaß den Anruf, denn dieser Blick interessierte sie. ImGegensatz zu Dunne zeigte Fletcher nie seine Gefühle. Jetzt wirkten sie wie zwei Männer, die wussten, dass sie in Schwierigkeiten steckten und nichts dagegen tun konnten.
»Leider nicht.«
»Was soll das heißen? Nicht mal für einen dieser Männer?«
Alle schwiegen, bis Fletcher endlich antwortete.
»Nein. Eins verbindet sie alle: Sie gehen in die jeweils nächstgelegene U-Bahn-Station, aber dann verlieren wir sie zwischen zwei Überwachungskameras. Auf dem einen Video sind sie noch drauf, auf dem nächsten nicht mehr. Wir haben zusätzlich Leute darauf angesetzt, die Aufnahmen nach Passanten zu durchforsten, die an diesem Tag aus der U-Bahn kamen. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass auch nur einer dieser Männer das U-Bahn-Netz verlassen hat.«
»Unmöglich.«
»Stimmt«, gab Fletcher zu. »Aber es muss eine Erklärung geben. Wir haben sie nur noch nicht gefunden.«
»Haben Sie die Bilder vergrößert?«, fragte Dawson. »Könnten wir sie durch den Beamer auf die Leinwand werfen? Ich würde gerne zwei dieser Männer nebeneinandersehen.«
Dunne tippte etwas ein und kurz darauf erwachte der große LCD-Bildschirm an der Wand zum Leben. Abigail starrte darauf und ignorierte das Handy, das mittlerweile permanent an ihrem Bein vibrierte.
»Den kenne ich«, sagte sie. Die Worte fielen direkt aus ihrem Gehirn in den stillen Raum.
Die vier Köpfe, die sie bis dahin nicht beachtet hatten, drehten sich zu ihr um. Sie sah weiter auf den Bildschirm. Der Anzug saß auf beiden Bildern perfekt. Seine Haut wirkte krank, fleckig und glänzend
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