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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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auf Gesicht undHals. Die Augen waren dunkler als braun und die Pupille verschwamm jeweils mit der Iris wie schwarze Tinte auf Löschpapier. Die Bilder waren zweifellos identisch. Ein Mann – nicht zwei Männer.
    Die Premierministerin brach das Schweigen. »Sie kennen ihn?«
    »Nein«, antwortete Abigail. »Ich habe ihn gesehen.«
    »Wo?« Fletcher sprang auf. »Wann?«
    »In der Bombennacht. Er stand einfach auf der Straße, als ich nach Hause lief. In der Nähe meiner Wohnung.« Die Worte fühlten sich an wie Wasser, das durch eine Regenrinne lief. Ihr wurde von innen kalt. Einen Augenblick erlebte sie das Ganze noch mal, keuchend und schwitzend, dieses wohlige Gefühl der Leere, als er sie ansah. Sie erinnerte sich daran, dass er den Finger auf die Lippen gelegt hatte. Ihre eigenen Pupillen weiteten sich und sie biss sich seitlich auf die Zunge, damit sie den Mund hielt.
    »Was meinen Sie damit, er stand einfach auf der Straße? Was tat er da?«
    Abigail ging zum Bildschirm und zog die Stirn kraus. »Vielleicht war er es doch nicht. Es könnte auch ein anderer dicker Mann gewesen sein …«
    »Hat er etwas zu Ihnen gesagt?«, fragte Fletcher.
    »Nein.« Ihr Telefon summte wieder und diesmal holte sie es heraus. »Kann ich rangehen? Das ist meine Schwester. Sie ruft schon die ganze Zeit an. Vielleicht ist etwas passiert?«
    »Beeilen Sie sich«, sagte McDonnell.
    Sie spürte die Blicke der vier Menschen, als sie auf den Flur hinaustrat. Sie hatte gelogen und sie würde weiterlügen, dabei wusste sie nicht einmal warum. Es war derselbe Mann, das wusste sie. Sie erinnerte sich, wie er den Finger gehoben hatte. In dieser Geste hatte ein Versprechengelegen, genau wie in dem leeren Mailaccount bei Hotmail. Eines Tages würde sie für beides belohnt werden, das spürte sie, und doch verstand sie nicht einmal dieses Gefühl. Aber sie würde nichts bekommen, wenn sie etwas verriet. Wenn sie petzte, würde nichts davon Wirklichkeit werden.
    »Hayley?« Ihre Stimme hörte sich ruhig und normal an. Das überraschte sie. »Was ist los?«
    »Ich habe alles gesehen.« Am anderen Ende der Leitung atmete jemand feucht und schwer.
    »Hayley? Bist du das?« Abigail starrte die geschlossene Tür an. Auf der anderen Seite warteten sie auf ihre Lügen.
    »Es ist mir wieder eingefallen.« Es war eindeutig Hayley, aber sie sprach gedehnt, als hätte sie Probleme, die Worte zu bilden.
    »Was ist dir wieder eingefallen?« Abigail runzelte die Stirn. Sie hatte jetzt wirklich keine Zeit. »Bist du stoned, Hayley?«
    »Chaos im Dunkel«, flüsterte Hayley kaum hörbar. »Das war es. Chaos im Dunkel.«
    »Hayley?«
    Am anderen Ende wurde aufgelegt.
    Die Tür ging auf und Fletcher sah sie an. »Alles in Ordnung?«
    »Ich weiß nicht genau. Ich rufe sie später noch mal an. Kann sein, dass sie betrunken war oder so was. Sie ist Studentin.«
    »Dieser Mann, den Sie gesehen haben …«
    »Er war es nicht«, schnitt Abigail ihm das Wort ab. »Es tut mir leid; ich hätte nicht so rausplatzen dürfen, obwohl ich mir nicht sicher war. Der Anzug ist verkehrt – und ich glaube, mein Mann hatte braune Haare.«
    »Eben hörte sich das aber durchaus überzeugt an.« Erschätzte jedes Zucken in ihrem Gesicht ab, als erwartete er, dass sie sich verriet.
    Abigail unterschätzte Fletcher nicht. »Wenn Sie möchten, sehe ich ihn mir noch mal an, aber ich bin ziemlich sicher, dass wir von zwei verschiedenen Männern reden. Ich dachte, ich hätte ihn schon mal gesehen, weil er so unglaublich dick war.«
    »Das können wir machen«, antwortete Fletcher. »Sehen wir nach, wo die Unterschiede sind.«
    »Gern.« Abigail lächelte. »Jetzt sofort?«
    »Warum nicht?«
    Sie steckte das Handy ein. Von nun an blieb es still.

7
    Sie saßen an ihren angestammten Plätzen in den vier Himmelsrichtungen um den großen runden Tisch. Einen Augenblick lang hörte man nur, wie Mr Craven auf die auf Hochglanz polierte Tischplatte eintrommelte.
    Dann ergriff Mr Dublin das Wort. »Es wird den anderen nicht gefallen, dass wir uns ohne sie treffen. Nicht jetzt. Alle sind ein wenig angespannt, stimmen Sie mir da nicht zu?«
    »Die Vollversammlung liegt erst zwei Wochen zurück«, erwiderte Mr Bright, »abgesehen davon« – er nippte an seinem Espresso – »ist es zu mehreren noch schwerer, Entscheidungen zu treffen. Alle wollen mitreden. Deshalb ziehe ich es zu diesem Zeitpunkt vor, dass wir unter uns bleiben.«
    »Wie geht’s Monmir?«, fragte Mr Craven.
    »Es geht rasch bergab.

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