Die Farben der Finsternis (German Edition)
grellen Neonlicht freute, erstarrte er auf der Schwelle.
»Schließen Sie doch bitte die Tür, Dr. Shearman.«
»Was machen Sie denn hier?« Er gehorchte. Der fensterlose Raum wurde nur von der Schreibtischlampe beleuchtet. Er wahrte Abstand, denn auch nach so vielen Jahren machte ihn dieser Mann nervös.
»Ich habe mir nur die Ergebnisse angesehen. Es gibt doch einige recht interessante Muster, finden Sie nicht auch?« Die Augen des Älteren funkelten unter dem silbernen Haarschopf.
»Es mag nach nicht viel aussehen, aber ich …«
»Zügeln Sie Ihre Panik, wir haben nicht vor, unsere finanzielle Unterstützung zurückzufahren.« Er betrachtete die verschiedenen Scans, die ihm vorlagen. Mit einer gepflegt manikürten Hand zog er drei aus dem Stapel. »Diese hier finde ich besonders interessant. Wer sind sie?«
»Die genauen Informationen kann ich Ihnen gerne besorgen. So auf Anhieb bin ich mir nicht ganz sicher. Ich glaube, der eine ist ein Junge namens Elroy Peterson.«
»Danke. Wie weit sind sie in ihrem Kurs?«
»Sie haben vor zwei Wochen aufgehört. Ich bin gerade dabei, meine Akten durchzusehen.«
»Perfekt.« Der Mann lächelte erfreut, ehe er den Arzt mit seinen blauen Augen musterte. »Sie sehen müde aus, Dr. Shearman. Stimmt etwas nicht?«
»Nein«, setzte Dr. Shearman an, »nein, selbstverständlich bin ich weiterhin sehr dankbar für Ihre fortgesetzte Unterstützung, die so überaus großzügig …«
»Wenn Sie bitte zum Wesentlichen kommen würden?«
»Ich frage mich nur«, sagte Dr. Shearman leiser, »warum Ihre Leute sie hypnotisieren müssen, damit sie nicht über dieses Experiment reden. Diese Maßgabe verstehe ich nicht.«
»Wir sind eben sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, wie wir unser Geld investieren, Dr. Shearman. Das werden Sie verstehen.« Er nahm seinen Wollmantel, den er ordentlich über Dr. Shearmans Bürostuhl gehängt hatte. »Wenn diese Studenten ihren Freunden und Eltern von einem hervorragend ausgestatteten Forschungszentrum erzählen würden, das ihnen für jede Sitzung zweihundert Pfund bezahlt, würde es nicht lange dauern, bis jemand herumschnüffelt, um herauszufinden, wer dahintersteckt.« Er machte eine Pause. »Die Bank hat sich immer um Siegekümmert, Dr. Shearman. Es hätte auch schlechter für Sie laufen können. Aber so weit ist es nicht gekommen.«
»Das weiß ich und dafür bin ich Ihnen dankbar, selbstverständlich bin ich das, und bestimmt ist alles sehr durchdacht und sinnvoll so.« Er sackte ein wenig in sich zusammen. »Entschuldigung. Ich besorge Ihnen rasch die gewünschten Informationen.«
Die Augen des Mannes funkelten, als er lächelte.
Dr. Shearman war froh, als er wieder im Flur war, obwohl er direkt wieder Kopfschmerzen bekam. Mr Bright sah aus, als hätte er sein Leben lang jede Nacht durchgeschlafen – und das machte Dr. Shearman Angst, auch wenn er es sich nicht eingestand.
Cass nahm einen großen Schluck aus der Bierflasche, die zu seinen Füßen stand. Es kühlte den Brand des Kokains in seiner Kehle. Er merkte gar nicht, dass der Aschenbecher immer voller wurde, weil er aus Gewohnheit weiterrauchte, statt sich bewusst eine anzuzünden. Er runzelte die Stirn angesichts der Kopien, die Perry Jordan ihm irgendwann im Laufe des Tages unter der Tür durchgeschoben hatte. Unter ihnen war ein Bericht der Neugeborenenuntersuchung mit Lukes Maßen sowie Jessicas Aufnahme- und Entlassungspapiere. Es war nicht allzu schwer, die medizinische Fachsprache zu entschlüsseln; soweit er es verstanden hatte, handelte es sich um eine ganz normale Geburt für Mutter und Kind.
Er warf noch einen Blick auf die Daten des Babys. Waren sie vor oder nach der Wegnahme seines Neffen aufgenommen worden? SIE haben Luke. Es gibt kein Leuchten. Er verdrängte diesen Satz. Als der Gedanke an das Netzwerk das Kokain schneller durch sein System rauschen ließ, tippte er rhythmisch mit dem Fuß. Vielleicht war er einfachnur frustriert, weil SIE ständig in seinem Leben präsent waren, sosehr er auch dagegen ankämpfte. Außerdem wollte er unbedingt mehr darüber wissen. Vielleicht sollte er einfach bei Der Bank auftauchen und von dem Kriecher Asher Red verlangen, Mr Bright herzubringen, weil Cass Jones mal mit ihm reden wollte. Vielleicht sollte er diesen alterslosen Mann an die Wand drücken und sich seine Antworten auf die altmodische Tour besorgen. Er holte tief Luft. Das hatte alles keinen Sinn – damit würde er sie höchstens aufscheuchen.
Auf den Kopien
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