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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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grauer Vorzeit. Nicht mal das weißt du. Irgendetwas verändert sich in dir und du hast nicht mal Angst. Was ist mit dir los?
    Abigail brachte diese Stimme zum Schweigen und goss sich einen Becher Kaffee ein. Sie trommelte mit den Fingern auf den Küchentresen, bis die schwarze Flüssigkeit so weit abgekühlt war, dass sie sie trinken konnte, und ging dann endlich zu dem Computer, der in einer Ecke des nüchternen Wohnzimmers stand. Falls Fletcher zurückkommen und sie bei etwas erwischen wollte, hätte er es längst getan. Sie lud die Hotmail-Seite, die blinkend nach ihren Log-in-Daten verlangte. Vielleicht sollte sie das lieber in einem Internet-Café tun, aber falls sie unter Beobachtung der ATD stand, würde sie dadurch erst recht die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Ihre kleine Schwester war gestorben, da sollte sie heulend zu Hause bleiben. Ihre kleine Schwester war gestorben . Es fühlte sich fremd an, als gehörte die Information woanders hin. Sie wollte sich nicht damit aufhalten. Sie würde dieser inneren Stimme nichts geben, was sie zum Schreien bringen konnte. Abigail starrte auf den blinkenden Bildschirm und holte tief Luft. In der Nachricht hatte gestanden, sie würde den richtigen Zeitpunkt erkennen, und derjenige, der sie geschrieben hatte, hatte völlig recht behalten. Sie loggte sich ein.
    Benutzername: [email protected]
    Passwort: Errettung
    Einen Augenblick lang ließ sie sich von der Enttäuschung niederdrücken, als auf dem Display Keine neuen Nachrichten erschien. Es brach ihr beinahe das, was von ihrem Herzen noch übrig war, bis ihr auf dem Bildschirm etwas anderes auffiel. Eine kleine (1) neben dem Entwürfe-Ordner. Sie hielt den Atem an. Zitternd hob sie den Kaffeebecher hoch und trank einen Schluck. Als sie die bittere Flüssigkeit hinuntergeschluckt hatte, klickte sie auf das markierte Icon.
    Jetzt gab es kein Zurück mehr. Das war ihr mit jeder Faser bewusst. Vielleicht hatte sie aber auch nie eine Wahl gehabt. Möglicherweise war es einfach ihr Schicksal, und zwar, seit sie gemerkt hatte, wie sie sich von ihrer Umgebung distanzierte. Die Nachricht wurde geöffnet.
    RUFEN SIE DIESE NUMMER HEUTE ABEND VON EINER TELEFONZELLE AUS AN.
    Sie schrieb sich die Handynummer auf die Innenseite ihres Arms, bevor sie weiterlas.
    WENN SIE IHRE WOHNUNG VERLASSEN, WERDEN SIE NICHT ZURÜCKKOMMEN. NEHMEN SIE NUR DAS NÖTIGSTE MIT.
    ALLES WICHTIGE ERFAHREN SIE, WENN WIR UNS TREFFEN.
    LÖSCHEN SIE DIESE NACHRICHT JETZT.
    Sie starrte noch kurz auf den Bildschirm und drückte dann die Entfernen-Taste. Die Nachricht verschwand, als wäre sie nie da gewesen. Abigail schaltete den Computer aus, ohne ihre Internetchronik zu löschen. Das würde die Sicherheitspolizei und Fletchers Leute höchstens ein oder zwei Stunden aufhalten, und auf ihrer Festplatte war nichts, was sie mit irgendwem in Verbindung brächte.
    Sie ging zum Fenster und spähte durch die Holzjalousie. Auf der anderen Straßenseite parkte ein Auto auf einerdoppelten gelben Linie. Die beiden Insassen gaben sich keine Mühe, nicht gesehen zu werden. Vielleicht verstand Fletcher sie doch besser, als sie dachte. Möglicherweise hatte er selbst eine harte Seele.
    Zehn Minuten später trug sie schwarze Leggings, einen schwarzen Pullover und einen Pferdeschwanz. Sie nahm Geld aus ihrer Brieftasche und stopfte es in ihren BH. Dann schaute sie sich noch mal in der Wohnung um, die einige Jahre ihr Zuhause gewesen war. Sie war so sparsam eingerichtet, dass es nichts gab, was sie gerne hätte mitnehmen wollen – keine persönlichen Gegenstände oder Fotos. Diese Sachen standen alle auf dem Speicher ihres Elternhauses in Highgate. Diese Wohnung stellte einfach nur die Räume zur Verfügung, in denen sie schlief, badete und aß, und nun, da sie wusste, dass sie nicht wiederkommen würde, war sie ihr bereits fremd. Hatte sie sich etwa unbewusst schon seit ihrem Einzug darauf vorbereitet? Oder gar noch eher?
    Abigail ließ das Licht brennen und ging zur Haustür. Es brachte nichts, darüber nachzudenken. Sie war jetzt hier und letzten Endes war es meistens egal, wie man irgendwohin gekommen war, sobald man dort angekommen war. Statt zum Hauptausgang ging Abigail in den ersten Stock und blieb an dem kleinen Schiebefenster am Treppenabsatz stehen. Sie schob die Scheibe hoch und sah hinaus. Die Luft war nicht mehr so trügerisch warm wie tagsüber, sondern oktoberkühl. Sie fröstelte, als die Kälte sie umfing.
    Der Spalt zwischen ihrem und dem

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