Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
Vom Netzwerk:
dass sie deswegen unter der Nebenwirkung gewisser ›Leugnungsprozesse‹ gelitten haben. Ein gestörtes Sehvermögen, ohne es zu merken.«
    »Kann das passieren?«, fragte Cass.
    »Sie wären überrascht, zu welchen Abwegen das Gehirn fähig ist. Ich hatte einen Patienten mit einer Gehirnverletzung, der auf dem rechten Auge blind war und es nicht merkte, weil sein Gehirn sich weigerte, diese Tatsache anzuerkennen.« Dr. Marsden warf einen Blick auf die Ausdrucke vor ihm. »Die meisten hier haben auch noch eine leichte Verletzung auf der linken Seite. Wissen Sie, ob sie Zeichen von Verwirrung, seltsame Sprachmuster oder so etwas aufwiesen?«
    »Ja«, sagte Cass. »Hayley Porters Mitbewohnerin hat berichtet, dass sie sich seit Tagen sonderbar benahm, undJasmine Greens Freund hat ausgesagt, sie wäre schon den ganzen Tag über seltsam drauf gewesen.«
    »Das könnte ein Zusatzfaktor sein. Die linke Gehirnhälfte ist mit Sprache und Analyse befasst. Dort kann eine Verletzung auch Depressionen auslösen.« Er legte die Blätter weg. »Außerdem haben sie alle Verletzungen am Frontallappen – bei Angie Lane kann ich es nur vermuten, weil eine solche Verletzung wegen des Hämatoms nur mithilfe weiterer Untersuchungen nachzuweisen wäre. Hier sitzt die Kontrolle über unsere Gefühle. Wenn wir wütend werden, wird hier der Stoppschalter umgelegt.«
    Cass fühlte sich ein halbes Jahr zurückversetzt, in das Haus seines toten Bruders. Zusätzlich zu dem Stoppschalter hatte er all seine Willenskraft gebraucht, um Bowman nicht den Kopf wegzublasen.
    »Moment«, mischte Eagleton sich ein, »so interessant das alles ist, was der Boss sagt, ist es ausgeschlossen, dass eine dieser Läsionen die Nebenwirkung haben kann, dass man auf genau dieselbe Art Selbstmord begeht wie mehrere andere Menschen, ganz zu schweigen davon, dass man auch noch die gleiche Botschaft hinterlässt.« Er sah Dr. Marsden nach Bestätigung heischend an. »Stimmt doch, oder?«
    »Ja, das ist richtig«, stimmte der Gerichtsmediziner zu, »aber es hätte sie wesentlich empfänglicher für einen diesbezüglichen Vorschlag machen können.«
    »Das heißt also, dass diese jungen Leute alle an ein und demselben Ort waren, wo sie derselben Sache ausgesetzt waren, die diese Verletzungen verursacht hat?« Cass wollte, dass jemand das laut aussprach.
    »Ja«, sagte Dr. Marsden, »sie haben ohne Zweifel das Gleiche erlebt – aber nicht notwendigerweise zur selben Zeit.«
    » Super. « Cass zog die Stirn kraus, als er an die Toten undihr Rätsel dachte. »Stopp, Sie reden die ganze Zeit von sechs Studenten, aber wir haben doch sieben.«
    »Ach nee.« Eagleton grinste. »Wir haben eine Abweichung.«
    »Was?«
    »Gestatten Sie mir eine dramatische Pause!« Eagletons Gesicht leuchtete vor kindlicher Begeisterung.
    »Was ist denn jetzt die Abweichung?«, knurrte Cass.
    »Nicht was, sondern wer«, antwortete Eagleton. »Joe Lidster. Er hat überhaupt keine Läsionen im Gehirn.«
    »Wie bitte?« Diesmal war es Armstrong, der ihn unterbrach.
    »Sein Gewebe sieht gut aus.« Der Assistent des Gerichtsmediziners klang geradezu fröhlich. »Mal abgesehen davon, dass er tot ist, natürlich.«

    Zurück im Büro brauchte Cass nur wenige Minuten, um einen Gefallen einzulösen und die aktuelle Adresse von Adele Streatham herauszubekommen, der Hebamme, die in der Nacht von Lukes Geburt im Portman Hospital gearbeitet hatte. Zum Glück wohnte sie in London, sodass er sie auch noch abends aufsuchen und trotzdem zu einer halbwegs vernünftigen Zeit nach Hause kommen konnte, falls er tagsüber zu viel zu tun haben sollte. Er hatte fast die ganze Nacht wach gelegen – die Drogen beschleunigten seinen Herzschlag noch lange, nachdem der Rausch nachgelassen hatte, und er hatte nicht aufhören können zu grübeln. Mittlerweile war die Wirkung des Kokains vollends verflogen und er war nur noch hundemüde und genervt. Das letzte bisschen Stoff hatte er in dem Tütchen zu Hause gelassen, und auch wenn er eigentlich wünschte, er hätte es mitgenommen, damit er sich jetzt etwas genehmigen konnte, war sein gesunder Menschenverstand (oder wasdavon übrig war) froh, dass es nicht ging. Es wäre wirklich das Letzte, bei dem Klima, das in Paddington Green herrschte, mit weißem Pulver an der Nase erwischt zu werden. Stattdessen trank er starken Kaffee, der es aber nicht richtig brachte. Es würde ein langer Tag werden, da konnte er auch gleich damit anfangen.
    Er traf Armstrong in der Einsatzzentrale

Weitere Kostenlose Bücher