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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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hier war, ist krank.«
    »Krank?« Mr Craven runzelte die Stirn.
    »Strain II. Er hat den Virus.«
    »Ich nehme ihre Sorge zur Kenntnis, aber es ist schließlich nicht so, als könnte ich mich anstecken«, erwiderte er ungeduldig. »Sagen Sie, sie soll mir einen anderen schicken. Und auf meinem Schreibtisch liegen ein paar Briefe, die Sie bitte den einzelnen Anwälten bringen.«
    Als der Mann sich nicht rührte, wurde Mr Craven langsam ungehalten.
    »Was haben Sie denn noch?«
    Drapers Zögern hing in der Luft, bevor er endlich den Mund aufmachte.
    »Es geht um den Jungen. Sie sagt, er hatte den Virus erst danach.«
    »Wonach?«
    Draper schluckte. »Nach Ihnen, Sir.«
    Mr Craven erstarrte, als die Welt stehen blieb. Es juckte ihn in der Nase und er nieste. In letzter Zeit musste er oft niesen. Als Draper zusammenzuckte, wurde Mr Craven auf einmal alles klar. Er begriff, warum der Mann nicht hereinkam. Mr Craven musterte ihn genauer. Drapers Pupillen waren geweitet. In einem Schweißtropfen auf seiner Stirn spiegelte sich die Welt. Eine Welt, die sich plötzlich verändert hatte. Mr Craven spürte einen Stich im Magen.
    Draper machte einen kleinen Schritt rückwärts; vielleicht hoffte er, sein Fluchtversuch würde nicht auffallen, wenn er sich langsam bewegte. Mr Craven lächelte.
    »Haben wir vor irgendetwas Angst, Draper? Sind wir plötzlich nicht mehr so scharf darauf, mir zu dienen?« Sorgfältig nahm er die Serviette vom Schoß und legte sie neben die Reste seines Mittagessens. Er stand auf.
    »Nein, Sir, ich habe nur …« Er brachte den Satz nicht zu Ende. Draper musste gar nichts sagen. Mr Craven entdeckte die Angst auf jedem Millimeter seiner Haut, sie pulsierte durch seine Poren. Todesangst.
    Er lächelte.
    »Wenn Sie vor mir an der Haustür sind, lasse ich Sie laufen.«
    Draper drehte sich um und rannte los.
    Plötzlich: Licht, Energie, Bewegung. Flügelschlag zerriss die Vorhänge. In diesen kurzen Sekunden fand Mr Craven es schön, wieder er selbst zu sein.
    Draper war nicht weit gekommen. Mr Craven lehnte sich an die schwere Holztür und lächelte ihn an.
    »Ich möchte Sie nur umarmen.«
    Draper ergab sich kampflos und sackte in sich zusammen. »Bitte, Sir …«
    Mehr konnte er nicht sagen, ehe Mr Craven ihn an sich zog.
    Draper fühlte sich heiß an.
    »Es kommt vor, dass wir nicht die Belohnung bekommen, die wir uns wünschen«, flüsterte Mr Craven ihm sanft ins Ohr. »Und heute ist der Tag, an dem wir diese Lektion wohl beide lernen.«
    Er biss ihn langsam ins Ohrläppchen. Draper wimmerte.
    Als Mr Craven zu seiner Mahlzeit zurückkehrte, war das Dessert kalt geworden, aber es schmeckte immer noch köstlich. Draper lag im Flur auf den Knien und schluchzte. Mr Craven hoffte, er würde bald wieder aufstehen – diese Briefe mussten immer noch überbracht werden, und er war davon überzeugt, dass Draper mindestens noch so lange gesund bleiben würde, um das zu erledigen.

    Der Mann auf der anderen Seite des Verhörtisches war der Inbegriff des Normalen. Obwohl Richard Elwood für ein Werbeunternehmen arbeitete, war es seine Aufgabe, Zahlen in den Computer einzugeben, statt irgendetwas Kreatives zu tun. Vierzig Jahre alt, davon siebzehn verheiratet, früher vielleicht einmal einigermaßen gut aussehend … Cass fragte sich schon, was der attraktive junge Joe Lidster an diesem Mann gefunden haben konnte.
    Als er einen Becher mit schlechtem Instantkaffee über den Tisch schob, griff Elwood dankbar zu und nahm einen Schluck. Er war aufgeregt, aber das machte ihn Cass nicht sympathischer. Aufregung konnte viele Ursachen haben, unter anderem die Angst, erwischt zu werden.
    »Sie haben doch sicher in der Zeitung gelesen, dass er tot ist«, sagte Cass und ließ seinen eigenen Kaffee stehen.
    »Ja, das war ein schrecklicher Schock.« Elwoods Hände zuckten, als er mit dem Styroporbecher spielte. »Ich habe versucht, mir zu Hause nichts anmerken zu lassen. Warum hätte er so was tun sollen? Das verstehe ich einfach nicht. Was ist mit diesen Studenten los? Wie viele sind mittlerweile gestorben?« Die letzten Worte kamen schluchzend.
    Cass starrte ihn an und biss die Zähne zusammen. Männer, die sofort anfingen zu heulen, waren ihm schon immer auf den Geist gegangen. »Wir glauben nicht, dass Joe Lidster so gestorben ist wie die anderen.«
    »Was?« Elwoods Tränen versiegten wie durch ein Wunder.
    »Warum treiben Sie sich auf einer schwulen Dating-Seite rum, wenn Sie verheiratet sind und zwei Kinder haben?«,

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