Die Farben der Finsternis (German Edition)
hinzu. »Haben Sie das bei all Ihren Machenschaften in Erwägung gezogen?«
Mr Bright gab ihm keine Antwort. Es war wirklich sehr lange her und vielleicht hatten sie sich alle verändert – eventuell auch am anderen Ende der Gänge. Doch er konnte sich sehr gut daran erinnern, wie er sich damals gefühlt hatte. Die Kämpfe zwischen dem Ersten und dem Despoten waren ihm noch ebenso im Gedächtnis wie dasBedürfnis, Partei zu ergreifen und auf der Seite der Guten mitzukämpfen. Und dann hatten sie die Unerwünschten eingesammelt und ihr eigenes Königreich geschaffen. Rückblickend fragte er sich, woher sie die Energie dazu genommen hatten.
»Ich hoffe, Sie haben mit Ihrem Ennui recht, Mr Bright.« Mr Dublin klang traurig. »Es wäre schrecklich, wenn es so enden würde, in einem langsamen Verfall.«
Mr Bright zog an seiner Zigarre, die heiß und süß schmeckte. In einem seltenen Anflug von Selbstmitleid wünschte er, Solomon wäre da und der Erste würde aufwachen und sie wären alle erfüllt von der Hoffnung, der Herrlichkeit und der schieren Lebensfreude lang vergangener Tage, als alles so neu gewesen war. Er war der Architekt; und das war alles. Es war reiner Zufall, dass er innerhalb des Zirkels aufgestiegen war; und sosehr er es genoss, sie zu führen, und obwohl er für diese Aufgabe gut geeignet war, vermisste er seine Waffenbrüder. Seit sie nicht mehr da waren, fühlte er sich alt.
»Früher fand ich Frieden, wenn ich zum Himmel hochsah.« Mr Dublins vollkommene Züge sahen im Mondlicht wie Alabaster aus. »Doch jetzt weiß ich, dass mein Bruder irgendwo da draußen schreit. Er und andere.« Er zertrat seine Kippe mit der Sohle seines italienischen Lederschuhs. »Und diese armen Wesen in ihrem sterblichen Schmerz, an deren Verstand Sie zerren, um sie zu unseren Zwecken zu benutzen?«
Er sah wieder nach oben.
»Darin liegt nun kein Friede mehr. Wir stehen nur im Schatten ihrer gequälten Seelen.«
Er lächelte Mr Bright an; ein schöner schmerzlicher Zug. »Bei all diesem, diesem Ennui , diesem Verfall, bin ich jeden Tag beim Aufwachen von Dank erfüllt, dass ich nichtSie bin, Mr Bright.« Er wandte sich ab. »Halten Sie davon, was Sie wollen.«
Mr Bright stand im Halbdunkel und rauchte seine Zigarre zu Ende. Er lächelte. Vor ihnen lag noch ein langer Weg, bevor der Verfall einsetzte. Dafür würde er sorgen.
»Sagen Sie mir, dass Sie was haben.« Es war fast elf und Cass hatte die letzte Stunde an seinem Schreibtisch mit Däumchendrehen verbracht, weil er auf das Ergebnis des zusätzlichen Bluttests wartete. Eagleton hatte es ihm ursprünglich für zehn Uhr versprochen; wenn er gewusst hätte, dass es so lang dauern würde, wäre er auf dem Weg zum Büro zu den Eltern von Elizabeth Gray gefahren.
Doch er unterdrückte seinen Ärger, weil er wusste, wie es in der Pathologie zuging. Abgesehen davon war ihm klar, dass er zusätzlich zu dem Stress durch die Mordfälle und seiner Sehnsucht, Luke zu finden, unter einem heftigen Kokainkater litt. Nach dem sonderbaren Anruf in der letzten Nacht war er aufgeblieben und hatte das Tütchen aufgeschnupft. Er hatte den Rausch genossen, aber jetzt musste er dafür bezahlen und es ging ihm schrecklich schlecht.
»Na klar.« Eagletons Stimme drang bestens gelaunt aus dem Telefon. »Nichts Neues, aber es könnte von Bedeutung sein.«
Cass stellte das Telefonat auf laut. »Raus damit.«
»4-Hydroxybutansäure, GHB. Liquid X. Nennen Sie es, wie Sie wollen.«
»Das haben Sie bei den ersten Untersuchungen nicht gefunden? Was ist denn bei Ihnen los?«
»Natürlich haben wir es gefunden.« Eagleton war hörbar in seiner Berufsehre getroffen. Noch so ein Junge, der in Windeseile zum Mann wurde. »Es gibt zwei Probleme dabei, GHB in einer Leiche festzustellen. Erstens bleibt esnur kurz im System, wenn es extern aufgenommen wurde – vier bis sechs Stunden bei einer durchschnittlichen Dosis. Zweitens, und das ist relevanter, stellt der Körper es selbst her, und zwar posthum. Ich hatte erwartet, es zu finden, und so war es auch – in allen toten Studenten. Lidsters Testergebnisse wiesen einen etwas erhöhten Wert auf, aber jeder Körper zerfällt auf seine Weise. Nachdem wir ihn jetzt unter anderen Gesichtspunkten betrachten als die anderen Studenten, kann das Ergebnis etwas ganz anderes bedeuten. GHB wirkt entspannend, kann aber auch als Betäubungsmittel benutzt werden, zum Beispiel um ihn so lange am Leben zu halten, bis man ihm die Pulsadern aufgeschnitten
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