Die Farben der Finsternis (German Edition)
hat.«
»Ist es schwer, jemandem das Zeug ohne sein Wissen zu verabreichen?«
»Nö.« Eagleton war wieder fröhlich. »Normalerweise wird es als klare Flüssigkeit verkauft. Schmeckt eigentlich nach nichts, höchstens ein bisschen salzig, aber wenn man es mit etwas stark Schmeckendem mischt und das Opfer gar nicht damit rechnet, würde es wahrscheinlich nichts merken.«
»Und bekommt man es ohne Probleme auf der Straße?« Cass wusste genau, wie leicht man heutzutage an Drogen kam. In London konnte mittlerweile jeder Drogen, Waffen oder einen Killer kaufen, vor allem gegen Cash.
»Mehr oder weniger. Jedenfalls in der Clubszene. Es ist C-klassifiziert, also drohen keine ernsten Folgen. Ich würde darauf setzen, dass GBL2 benutzt wurde statt des ursprünglichen GHB. GBL2 ist legal, man kann es online bestellen und einige Sexshops haben einen Vorrat unterm Ladentisch. Es stammt aus derselben chemischen Familie und wird im Körper zu GHB, hat also dieselbe Wirkung. Die zweite Generation ist billiger, reiner und gefährlicher –normalerweise wird diese Chemikalie dazu benutzt, Farbe abzulösen und Böden zu reinigen. Und damit wollen Kids high werden? Wir leben in einer verrückten Welt.«
»Und Sie waren nie in Versuchung, bei Ihrer Ausbildung?«, fragte Cass.
»Mir hat das Leben immer gereicht, um high zu werden, Detective Inspector. Nervtötend high, würde ich inzwischen sagen.«
»Im Moment auf jeden Fall. Aber Sie werden immer besser in Ihrem Job.«
»Ich liebe Sie auch.« Eagleton lachte ins Telefon und legte auf.
»Es gibt Sexshops, die es heimlich verkaufen?« Armstrong hatte mitgehört. »Wollen Sie jetzt mit Neil Newtons Schwester reden?«
»Nein.« Cass lächelte. »Doch nicht mit der Schwester.«
»Wir können den ganzen Tag hier bleiben.« Cass zog die Jalousie an der Fensterscheibe hoch, die Aaron Longs Büro von dem Gedränge der Arbeitsplätze außerhalb trennte. Auf dem Weg zum Kopierer, zum Wasserspender oder wohin die Leute in einem Büro entschlossenen Schrittes auch immer gingen, schauten die Kollegen nun automatisch in sein Büro.
»Ist das da hinten das Büro Ihres Chefs? Der scheint ja auch reichlich neugierig zu sein.« Das war noch nicht mal gelogen. Ein großer Mann mittleren Alters stand an der Tür eines Büros, das viel größer war als die Büros von Cass und Long zusammengenommen, und beobachtete sie.
»Um Himmels willen, das können Sie doch nicht machen.« Aaron Long hatte seine Stimme fast im Griff, aber der Hauch von Weinerlichkeit ließ ihn weniger überzeugend wirken. »Emma hat Ihnen bereits erzählt, wie es abgelaufenist – Sie haben doch schon mit ihr gesprochen.«
»Das stimmt.« Armstrong setzte sich. »Aber Sie kennen doch die Frauen: verwirrt, durcheinander, vergesslich.«
»Manchmal lügen sie auch einfach.« Cass drehte sich an der Scheibe um.
Aaron Long sah von einem Polizisten zum anderen. »Es war genau, wie Emma gesagt hat. Wir sind nach dem Abendessen noch lange aufgeblieben und dann hat Neil sich ein Taxi geschnappt.« Seine Blicke schossen durchs Fenster zu der schweigenden Gestalt, die das Bild betrachtete, das sie abgaben. In diesem Blick erkannte Cass Angst und Unsicherheit.
»Falls Sie aus falsch verstandener Loyalität lügen, sage ich Ihnen hiermit, dass wir das rausfinden werden. Ich bin für meine hohe Aufklärungsrate bekannt, und dieser Mord ist nicht einmal kompliziert. Man wird Ihnen kündigen – falls Sie nicht direkt ins Gefängnis wandern – und einen neuen Job werden Sie nicht kriegen, schließlich wissen wir alle, dass es keine Arbeit mehr gibt.« Cass war die Ruhe selbst und hielt fast die ganze Zeit Blickkontakt mit Long. »Ich könnte das alles verstehen – und um ehrlich zu sein, würde ich Sie dafür sogar bewundern –, wenn Sie dieses Risiko für Ihre Frau eingingen. Aber für Neil Newton? Diesen ekligen Schleimer? Sie können ihn doch sicher auch nicht leiden. Scheiße, ich wette, nicht mal Ihre Frau mag ihn.«
Als Aaron Long schluckte, beobachtete Cass, wie sein Adamsapfel nach oben zuckte, als wollte er ihn ermuntern, die Worte auszuspucken. Er sah nicht Cass an, sondern blickte durch die Scheibe.
»Ich kann ihn nicht ausstehen. Er ist mir unheimlich.«
»Vernünftig. Lassen Sie sich nicht von ihm verarschen. In dieser Geschichte gibt es einen toten Jungen.«
Long warf Cass einen Blick zu. »Mit dem Abendessen waren wir schnell fertig. Ich machte ein paar bissige Bemerkungen, die er persönlich nahm. Ich glaube,
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