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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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für den nächsten Tag auf. Jetzt hatte er was anderes vor.

17
    »Stell den Fernseher leiser, Roger.« Als ihr Mann knurrend gehorchte, stellte Cathleen Watson das Tablett auf den Tisch, an dem Cass saß. Die Zerstörung in New York wurde zu einem sanften Summen, die schreienden Bilder zuckten leiser über den Bildschirm.
    »Ich verstehe nur nicht, wieso es dazu jetzt noch Fragen geben soll, das ist alles«, brummte Roger Watson. »Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich dachte, die Polizei hätte im Moment genug zu tun. Was genau ist der Grund für Ihren Besuch?«
    »Sei nicht so unfreundlich!« Cathleen entschuldigte sich für ihren Mann und schenkte den Tee ein.
    Cass hatte nicht gewusst, dass außer in Historienfilmen noch jemand ein Teeservice benutzte, aber zu diesem hier gehörte sogar eine passende Zuckerdose. Unbeholfen hob er sie an dem zarten Porzellanhenkel an. »Das macht nichts, er hat ja nicht unrecht«, sagte er mit einem Lächeln. »In Wirklichkeit arbeite ich an einer Überprüfung von Flush5 – es gab gewisse Beschwerden über die Arbeitsmethoden. Ich darf Ihnen gegenüber nicht ins Detail gehen, aber ich versuche ein Gefühl für die Vorgeschichte zu bekommen. Hoffentlich wecke ich dadurch nicht allzu schmerzliche Erinnerungen.«
    »Es ist schön, über sie zu reden. In letzter Zeit tun wir das nur selten.« Mrs Watson trank einen Schluck Tee. »Sie wissen ja, wie das mit der Zeit ist. Sie heilt nicht die Wunden, aber sie verstaut die Dinge in Schubladen. Nur so kann es weitergehen, denke ich manchmal.«
    Cass’ Lächeln war echt. Die Frau gefiel ihm. Das mit den Schubladen verstand er gut.
    »Warum hatte Elizabeth einen Kaiserschnitt?«
    »Sie dachte eigentlich, sie bräuchte keinen. Ihrer Meinung nach lief alles bestens, aber an dem Morgen rief der Arzt an und sagte, er hätte sich die Ultraschallbilder noch mal angesehen und er und seine Kollegen glaubten, ihre Plazenta könne den Geburtskanal blockieren. Sie ging noch mal hin, zu einem zweiten Ultraschall, und als Owen abends nach Hause kam, entschieden sie sich dafür, das Baby sofort zu holen.« Ein schmerzvoller Blick flackerte in ihren Augen. »Nicht dass es dem Baby was genützt hätte, dem armen Würmchen. Sie hat ihn kaum gesehen. Ich weiß nicht mehr, ob sie ihn überhaupt im Arm gehalten hat, jedenfalls nicht, solange er noch lebte.« Sie rührte in ihrem Tee, obwohl sie gar keinen Zucker hineingetan hatte. »Es hat Stunden gedauert, bis sie ihn endlich zurückbekam; da war er schon kalt. Danach wollte sie ihn nicht mehr sehen.«
    Cass senkte den Blick in seine eigene Tasse. Natürlich war das Baby kalt gewesen. Wahrscheinlich hatten sie erst eins besorgen müssen. Woher hatten sie das tote Baby, aus der Leichenhalle des Krankenhauses? Oder aus einer Pathologie in der Nähe? Ein Baby, das sie sich kurz ausgeliehen hatten. Er kämpfte gegen das Bild der beiden Frauen an, die mittlerweile beide tot waren: die eine weinte, die andere lachte, beide wegen desselben Kindes, während ein anderes einfach gestohlen worden war.
    »Und dann sind sie auch noch kurz darauf verunglückt.« Mrs Watson lächelte wehmütig. »Sie waren weggefahren, um sich zu erholen. Das Leben ist manchmal grausam ironisch, finden Sie nicht auch?«
    Cass überlegte, was die Frau wohl sagen würde, wenn sie wüsste, wie viel Ironie wiederum in diesen Worten steckte. Eigentlich würde er ihnen gern erzählen, dass das Baby, das sie tot geglaubt hatten, zu einem geliebten Kind herangewachsenwar, auch wenn sein Vater bezweifelt hatte, dass es sein eigen Fleisch und Blut war. Er wollte ihnen Geschichten erzählen von den Dingen, die Luke gemocht oder nicht so gern gemocht hatte, davon, was ihn zum Lächeln gebracht und worüber er gelacht hatte. Vielleicht würden sie ihre Tochter teilweise darin wiedererkennen, aber er musste das alles für sich behalten, weil die Geschichte mit einer Pistole und einem kalten toten Kind endete und ihre Trauer von Neuem wecken würde. Er bezweifelte, dass die beiden mit diesem Wissen leben könnten. Ihr Schmerz war im Laufe der Jahre zu einem stillen Kummer verklungen, das spürte er. Cass wollte diese Narben nicht wieder aufreißen.
    »Warum war sie auf der Privatstation? Hat Ihre Tochter das so gewollt?«
    »Es lag an Owens Job. Er hat gar nicht gewusst, dass diese Versicherung inbegriffen war. Also, er hatte einige Extras bei der medizinischen Versorgung, aber keiner hatte damit gerechnet, dass seine Frau dementsprechend

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