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Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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hasste ich ihn und wollte ihm nicht in seine schönen dunklen Augen sehen. Dann ließ ich ihn liegen und ging in mein Zimmer. Ich zog mich um und trank meinen Kaffee. Als ich eine halbe Stunde später nach ihm sah, war er tot. Auf dem Bett war so viel Blut, es konnte gar nicht anders sein. Das hatte ich nicht gewusst …« Er keuchte. »Mit so viel Blut hatte ich nicht gerechnet. Er war so bleich.«
    Schließlich brach er in Tränen aus. »Ich habe ihn geliebt.«
    Cass sah zu, wie der Mann schniefte und schluchzte und leere Worte in seine feuchten Ärmel und die zerknüllten Taschentücher murmelte. Joe Lidster hatte recht gehabt. Neil Newton war wirklich erbärmlich. Doch Lidster hatte noch nicht gelernt – und jetzt war es zu spät –, dass schwache, jämmerliche Menschen oft die gefährlichsten waren.
    »Nein, das haben Sie nicht«, unterbrach Cass Newtons egomane Litanei, »Sie haben ihn umgebracht. Kaltblütig ermordet.«
    Die Worte trafen Newton wie ein Schlag ins Gesicht und er musste mehrmals blinzeln. Die Wirklichkeit wurde ihm bewusst, und das fühlte sich anscheinend nicht schön an.
    Cass setzte noch einen drauf. »Wir klagen Sie des vorsätzlichen Mordes an. Sie sollten Ihre Angelegenheiten endgültig regeln.«
    Er stand auf und ging zur Tür. Trotz der Zigaretten, die er im Laufe des Verhörs geraucht hatte, stank es immer noch nach Newtons süßlichem Geruch. Neben dem Parfum, dem Schweiß und dem Haargel machte sich jetzt auch der scharfe Geruch der Angst breit.
    »Moment – vorsätzlicher Mord?« Newtons rundliches Gesicht war blass geworden. »Aber … das bedeutet … die Todesstrafe, oder?«
    Cass schwieg.
    »Aber das können sie … Ich meine, ich wollte nicht … O mein Gott! Lieber Gott …«
    Newton flehte noch immer einen Gott an, der ihm nicht helfen konnte, als Cass die Tür schloss und ihn dem Polizisten überließ, der ihn abführen und einbuchten sollte. Bald hätte er nicht mal mehr Gürtel und Schürsenkel und dann würde Newton endlich begreifen. In einer Gefängniszelle konnte man sich nirgends verstecken. Vor langer Zeit hatte Cass selbst seine Zeit darin abgesessen. Doch im Gegensatz zu Newton hatte man ihn wieder freigelassen.

    Cass nahm sorgfältig Joe Lidsters lächelndes Foto von der Tafel und legte es in die Akte. Es tat gut, sich einen weniger ansehen zu müssen.
    »Seine Eltern werden heute Nacht besser schlafen«, meinte Armstrong.
    »Hoffentlich.« Cass war nicht davon überzeugt. Antworten brachten nicht immer den Frieden. Sie brachten Erkenntnis, was nicht das Gleiche war. Die Kunst bestand darin, seinen Frieden mit der Erkenntnis zu machen, und das schaffte längst nicht jeder.
    Cass schaute auf die Tafel und die jungen Gesichter, die zurückstarrten. Für sie hatte er noch keine Antworten parat. Er runzelte die Stirn, als sein Blick an Jasmine Greenhängen blieb, deren lächelndes Gesicht auf dem Foto einen solch harten Kontrast zu ihrer Leiche darstellte, wie sie halb aus dem Fernseher gehangen hatte. In seinem Kopf spulte er noch einmal das Gespräch mit ihrem Freund zurück.
    »Ich möchte ihre Krankenakten sehen. Jasmines Freund wusste nichts von einem Bargeld-Job, aber er hat erzählt, sie hätte unter Klaustrophobie gelitten. Wir müssen prüfen, ob bei den anderen ähnliche Leiden vorlagen. Irgendwas muss es doch geben.«
    »Wird sofort erledigt.«
    »Fordern Sie die Akten an, dann prüfen wir sie morgen früh mit frischem Blick. Für heute haben wir wirklich genug gearbeitet.«
    Diesmal protestierte Armstrong nicht. Als er wieder in seinem Büro war, holte Cass den Zettel mit der Adresse von Elizabeth Grays Eltern heraus. Wenn er jetzt losfuhr, konnte er gegen halb sieben da sein, den Feierabendverkehr schon eingerechnet.
    »Hast du das gesehen, Cass?«, fragte ihn der Sergeant am Empfang, als er das Gebäude verlassen wollte.
    »Was?«
    »Schon wieder Bombenanschläge.« Der Mann wies mit dem Kopf auf den Fernseher unter der Decke. »Diesmal in New York. Die sind wahnsinnig, diese Leute.«
    Cass blieb kurz stehen und sah sich die Bilder an. Noch mehr Brände, mehr Rauch, mehr Tote. Menschen, die aus der U-Bahn strömten, und das Wrack eines Busses mitten auf der Straße. Das war wie London und Moskau zusammen – doch das war der Wald, nicht die Bäume.
    »Echt schrecklich«, sagte Cass und wandte der auf Kleinformat reduzierten Zerstörung den Rücken zu. »Aber ich muss mich um weniger wichtige Dinge kümmern.«Er saß im Auto, als David Fletcher von

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