Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben der Finsternis (German Edition)

Die Farben der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Farben der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
Vom Netzwerk:
angeregt über die Nachrichten, um seinen Besuch endgültig zu verdrängen. Vielleicht war Geld wirklich die Wurzel allen Übels. Auf jeden Fall war es der Grund für ihre Schuldgefühle. Sie hatten sich mit dem Vergleich abgefunden, statt die Wahrheit herauszufinden, und gelernt damit zu leben, aber ob man mit etwas zurechtkam oder ob man glaubte, das Richtige getan zu haben, waren zwei verschiedene Paar Schuhe. Das hatte er in Roger Watsons trotzigem Blick gelesen. Sein Handy piepste. Eine E-Mail von Perry Jordan. Cass lächelte.

    Zu Hause machte er ein Bier auf, stöpselte den BlackBerry in den Drucker und wartete auf den Ausdruck mit den Namen der Angestellten. Die Liste war kurz, umso besser. Neben den Namen standen Telefonnummern und die aktuellen Adressen. Cass lehnte sich seufzend im Sessel zurück und streckte die Arme, bis seine Schultern knackten. Draußen spielte der Geiger etwas Leichtes, vielleicht aus den 1930er-Jahren, mit einem französischen Flair in den Zwischentönen. Cass schenkte der Musik keine Beachtung. Der alte Landstreicher störte ihn nicht mehr und falls es sich um Mr Brights Kundschafter handelte, bekam ervon draußen nicht sonderlich viel zu sehen. Es hätte ihn allerdings gewundert. Der Geiger war viel zu auffällig, nicht Mr Brights Stil. Mr Bright war ein Mann, der im Schatten blieb, ein Marionettenspieler, der aus der Dunkelheit operierte, hoch über den Göttern dieses Theaters – es passte nicht zu ihm, vor aller Augen die Fäden zu ziehen.
    Cass betrachtete die Namensliste. Der Arzt, der auf der Entbindungsstation im Flush5-Flügel des Krankenhauses gearbeitet hatte, hieß Andrew Gibbs – zurzeit wohnhaft in Muswell Hill, London. Das gab Cass einen Stich in den Magen. Die Welt war klein. Er gab die entsprechende Telefonnummer in sein Handy ein und speicherte sie. Es war keine große Sache, herauszufinden, wo Gibbs jetzt arbeitete. Das konnte er machen, nachdem er herausgefunden hatte, was David Fletcher von ihm wollte. Seine Augen schmerzten von zu vielen schlaflosen Nächten; heute würde er früh schlafen gehen.
    Er schaltete das Licht im Wohnzimmer aus und ging in sein kaltes leeres Bett. Als die Dunkelheit den Raum verschluckte, drehte Cass den hungrigen Augen der Toten, die ihn aus den Ecken heraus anschrien, den Rücken zu. Er hatte sie nicht vergessen. Am nächsten Tag würde er sich ihre Krankenakten ansehen und prüfen, ob es bei den Studenten irgendwelche diesbezüglichen Ähnlichkeiten gab. Doch jetzt sollten sie ihn in Ruhe lassen. Er brauchte seinen Schlaf.
    Cass träumte von Owen Gray und Christian. Sie standen nebeneinander und lächelten.

    »Was müssen wir denn noch alles tun?«, fragte Mr Yakama.
    Der Angesprochene drehte sich wieder um, nachdem er sich frischen Tee eingeschenkt hatte, und ließ den Blick über sein Publikum schweifen. Mr Yakama saß irgendwoweiter hinten. Es gab keinen offiziellen Versammlungstisch; den hatte Monmir schon vor einer ganzen Weile entsorgt. Jetzt war der weitläufige Raum mit Sitzkissen und hübsch verzierten Sofas – jeweils mit einer eigenen Wasserpfeife – bestückt. Die Einrichtung atmete eine Eleganz, die an Monmirs eigene schlichte Noblesse erinnerte.
    »Eine ganze Menge«, antwortete er und schlürfte seinen Minztee. »Das ist erst der Anfang.«
    Keiner rührte die Wasserpfeifen an. Das überraschte den Mann nicht. Er erinnerte sich noch an die Leprakranken früherer Tage, die sich einst mit fauligen Händen festgeklammert und um Heilung gefleht hatten. Das war lange her, zu einer Zeit, als das alles hier noch ein ruhmreiches Spiel war. Die hier hatten den gleichen verzweifelten Blick.
    Als Morelo laut und röchelnd hustete, lief eine zuckende Welle über die anderen. Der Mann hatte seine letzte Energie darauf verwandt, einem Krankenhaus in Russland zu entrinnen und hierherzugelangen. Jetzt war sonnenklar, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Das passte dem Mann ganz gut, der vor Gesundheit strotzend unter diesen Kranken stand. Wenn sie erst jegliche Hoffnung fahren ließen, wurden sie zu einer Last.
    »Sie müssen Ihr Sterben so lange wie möglich verbergen.« Ob sie ihn wohl hassten, weil er so gesund war? Wahrscheinlich. Wenn die Rollen andersherum verteilt wären, wäre er sicher nicht gut auf einen wie ihn zu sprechen. »Wenn Mr Bright merkt, dass der Ennui , wie er Ihren beklagenswerten Zustand nennt, sich so ausgebreitet hat, wird er eine Verschwörung wittern und Sie alle verfolgen.«
    Sie rissen die Augen

Weitere Kostenlose Bücher