Die Farben der Finsternis (German Edition)
lächeln.
»Gut, mehr haben wir nicht.«
»Kann ich ihre Akte sehen?«
Fletcher öffnete seine Aktentasche und holte eine dünne gelbbraune Akte heraus. »Es wäre mir lieber, Sie würden sie hier lesen, damit ich sie wieder mitnehmen kann.«
»Ah«, sagte Cass, »es gibt doch nichts Schöneres als Vertrauen. Aber da ich selbst noch nicht entschieden habe, ob ich Ihnen helfen werde, habe ich damit kein Problem.«
Als er die Akte durchblätterte, stieß er zunächst auf das Übliche: eine gute Schule, eine bessere Universität. McDonnell wollte weiblichen Personenschutz; Porter hattean Militärstandorten gedient und sich im Training ausgezeichnet; als sie sich um die Position beworben hatte, war völlig klar, dass sie genommen wurde. Sein Blick blieb an etwas hängen.
»Haben Sie sich die Akte auch angesehen?«
»Ja. Wieso?«
»Was ist mit diesem psychologischen Gutachten passiert? In dem Kästchen des Anfrageformulars stand erst ungenügend. Dann wurde es ungültig gestempelt und jetzt steht dort, dass sie bestanden hat.«
Fletcher sah ihm über die Schulter. »Ein Fehler der Verwaltung vielleicht?«
»Wer hat das psychologische Gutachten erstellt?«
»Das sollte angehängt sein.«
Cass blätterte zum Ende des langen Antrags, wo zusätzliche Seiten angetackert waren. Darunter fand er Abigail Porters persönliche Stellungnahme – auf mehreren Seiten – in einer kleinen ordentlichen Handschrift, die absolut vorzeigbar, aber völlig unpersönlich war. Er machte sich nicht die Mühe, sie zu lesen. Bei so etwas sagte sowieso niemand die Wahrheit, und er bezweifelte, dass Abigail Porter es anders gehalten hatte. Endlich fand er das oberste Blatt des Gutachtens. Der Verfasser hatte ungeduldig über die entscheidenden Kästchen hinausgeschrieben. Cass erkannte die Handschrift sofort, vergewisserte sich jedoch bei der Unterschrift.
»Tim Hask hat das Gutachten geschrieben?«
»Wenn das da steht. Kennen Sie ihn?«
»Wir haben zusammen an einem Fall gearbeitet.« Als er umblätterte, stellte er fest, dass es übergangslos mit Kopien von Abigail Porters Führerschein und Ergebnissen der ärztlichen Untersuchung weiterging. »Das eigentliche Gutachten fehlt.« Er blätterte wieder zurück und prüfteden Haufen Papier. Zwischen Hasks Dokument und der nächsten Fotokopie klemmte eine winzige abgerissene Ecke. »Jemand hat es herausgerissen.« Er hob den Blick. »Das ist interessant.«
»Glauben Sie, in dem Gutachten stand etwas, was wir nicht wissen sollten?«
»Meiner Erfahrung nach ist das der Grund, warum so etwas aus Akten entfernt wird.«
Cass lächelte, als Fletcher ihm einen bösen Blick zuwarf. »Wenn Sie möchten, kann ich mit Dr. Hask reden. Ich höre mir an, wie er sie fand, und frage ihn, ob er eine Kopie des Gutachtens hat.«
»Heißt das, Sie machen mit?« Fletchers Miene verriet, dass ihm die Frage beinahe in der Kehle stecken blieb. Das konnte man ihm nicht übel nehmen. Cass hätte es auch nicht gefallen, wenn die ATD dazukäme und am Tatort rumpfuschte, wo sie nicht hingehörte.
»Das glaube ich kaum«, antwortete er. »Vorher möchte ich noch mit jemandem reden.«
Fletcher war sichtlich erleichtert, aber auch sichtlich besorgt, weil er schon wusste, dass er sich einen gehörigen Rüffel einbrockte, wenn er Cass nicht an Bord holen konnte.
»Noch zwei Dinge, bevor ich wieder gehe«, fuhr Cass fort. »Erstens, die Videoaufzeichnungen des Hotels – Sie sollten auch die zwei, drei Tage vor Ms Porters Besuch prüfen sowie eine gewisse Zeit nach ihrem Eintreffen dort.«
»Das haben wir schon gemacht. Keine bekannten Terroristen oder Sympathisanten zu sehen.«
»Haben Sie sie nur maschinell gescannt? Und was ist mit Politikern? Verdächtigen aus dem Ausland? Keine Ahnung, was für Berufsbezeichnungen sich diese Arschlöcher ausdenken, aber da draußen laufen viele gefährliche Leuterum, die Sie und ich tagaus, tagein beschützen.« Er stand auf. »Allein wir beide kennen wahrscheinlich total unterschiedliche Leute. Wenn ich mitmache, will ich die Gesichter von allen sehen, die an dem Tag das Hotel betreten haben.«
»Und zweitens?«, fragte Fletcher mit zusammengebissenen Zähnen. Obwohl Cass sich langsam für den Chef der ATD erwärmte, bereitete ihm der Anblick doch großes Vergnügen. Es gab nichts Schöneres, als einen der Oberbosse auf den Knien zu sehen, erst recht, wenn er merkte, dass man es wusste.
»Sie haben gesagt, die Leiche hätte keine brauchbare DNA
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