Die Farben der Finsternis (German Edition)
große Einfahrt. Ein Mercedes und ein BMW, beides Oberklassenlimousinen, parkten nebeneinander. Porter konnte sich offenbar alles leisten.
»Kann sein, dass Sie hinter der lebendigen Schwester her sind, aber die tote gehört immer noch mir.« Er warf einen Blick zurück auf das schwarze Taxi, dessen Motor ungeduldig zu brummen schien. »Und den müsste einer bezahlen.« Fletcher sah ihn böse an, zückte aber seine Brieftasche. Der Chef der ATD hatte bessere Chancen, den Fahrpreis erstattet zu bekommen als Cass, so klamm, wie die Met inzwischen war. Er dachte an das kleine Mädchen, das hier aufgewachsen war, nur um später tot neben einem Kamin zu liegen, der teure Teppich getränkt mit ihrem Blut. Hatte ihre ältere Schwester sie ihr Leben lang in den Schatten gestellt? Selbst jetzt waren alle viel mehr mit der überaus lebendigen Abigail beschäftigt als mit dem Rätsel um die arme tote Hayley.
»Erzählen Sie mir etwas über die Familie«, bat er, als Fletcher die Quittung in die Brieftasche steckte und das Taxi abfuhr.
»Melanie Porter – geborene McCorkindale – mit einem Faible für die feine Gesellschaft. Obere Mittelklasse, würde man wahrscheinlich sagen. Früher war sie eine Schönheit, von ihr dürften die Mädchen ihr gutes Aussehen haben.Dumm ist sie auch nicht, hat einen Juraabschluss in Oxford gemacht, aber nie in dem Beruf gearbeitet. Stattdessen hat sie geheiratet und ist zu Hause geblieben, um die Mädchen aufzuziehen.«
»Und der Vater?«
»Alexander Porter. Er leitet den ASKDAL-Konzern.«
»Und?«
»Groß und erfolgreich – einer der mächtigsten Mischkonzerne der Welt. In seinem Besitz sind mehrere Medienfirmen, Bauunternehmen im Nahen Osten und mehrere koreanische Elektrohersteller, wenn ich mich recht erinnere.«
»Breit gestreut das Ganze.«
»Er selbst kommt von der Zeitung – Porter war mal Chefredakteur der Times und wurde seiner Akte zufolge zum Vorstandsvorsitzenden befördert. Wie, weiß der Geier, ich habe diese Vorstandsetagenpolitik noch nie richtig verstanden. Jedenfalls muss er seine Sache gut gemacht haben, denn es hat nicht lange gedauert, bis er in Windeseile die Karriereleiter im Mutterunternehmen hochgeklettert war. Jetzt ist er fürs große Ganze verantwortlich.«
»Erinnern Sie mich dran, dass ich mir die Schuhe abtrete«, murmelte Cass, als er auf die Klingel drückte.
Eine Frau mittleren Alters in einem gut geschnittenen Kostüm öffnete ihnen die Tür und führte sie in einen Raum im Erdgeschoss. Mrs Porter kehrte ihnen den Rücken zu, sie starrte durch die Panoramaglasfront in den Garten. Ihr Mann stand an dem breiten Kaminsims und trank bedächtig aus einem Kristallglas – wahrscheinlich Whiskey. Er hob den Blick, aber seine Frau drehte sich nicht einmal um.
»Sie sind von der Polizei?« Er trug Jeans und einen Pullover mit einem Hemd darunter, dessen oberster Knopf lässig-elegant offen stand. Er war eher gebräunt als rotgesichtigund gerade in dem Alter, in dem er, wie viele erfolgreiche Männer, körperlich einer dicklichen Katze immer ähnlicher wurde.
»Mein Name ist Cass Jones, Mr Porter. Ich untersuche unter anderem den Tod von Hayley.«
»Er nicht.« Porter sah über Cass hinweg und konzentrierte sich auf Fletcher. »Den kenne ich.« Er hob einen dicken Finger und stieß ihn in die Luft. »Mein Mädchen hat mit den Bombenanschlägen nichts zu tun, und was Sie denken, ist mir völlig egal. Wenn Sie ihr was in die Schuhe schieben wollen, mache ich Sie fertig – und ich fahre schweres Geschütz auf.«
Cass beobachtete, wie Fletcher dem Blick des anderen standhielt. Falls die Unterhaltung in einen Hahnenkampf ausarten sollte, wollte er seine Angelegenheit vorher geklärt haben.
»Zurzeit ist sie nur vermisst gemeldet, Mr Porter«, erklärte er.
»Für ihre Kollegen gilt sie als beurlaubt, wegen des Trauerfalls«, sagte Fletcher leise, aber fest.
»Gut, denn wenn irgendeine Presseagentur Wind davon bekommt, ist meine Karriere im Eimer.«
»Bitte entschuldigen Sie meinen Mann.« Mrs Porter drehte sich endlich zu ihnen um. Ihre Stimme war so kalt und knapp, als hätte sie selbst nicht die Absicht, zu tun, was sie mit Worten forderte. Sie war immer noch schön, das fiel auch Cass auf, doch ihre Augen zogen ihn besonders an. Aus den Augenwinkeln floss ein silbernes Leuchten, genau wie bei Abigail. Ihm wurde mulmig. Es gibt kein Leuchten. Es fiel ihm zunehmend schwer, an sein eigenes Mantra zu glauben.
»Manchmal glaube ich, dass er so viel Zeit
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