Die Farben der Sehnsucht
haben beide von seiner Tante gehört“, fuhr Colette fort. Im Hintergrund hämmerte die Musik, schnell und energiegeladen. Sie wollte mit ihren Übungen beginnen, doch Alix rührte sich nicht. Colette bereute, überhaupt etwas gesagt zu haben.
„Er will dich wiedersehen, oder?“, sagte Alix triumphierend.
„Nein.“ Colette schüttelte den Kopf. „Wie ich dir schon gesagt habe: Wir beide haben eine Einladung zum Abendessen von seiner Tante bekommen.“
„Wirst du hingehen?“
Als Colette nickte, erstrahlte ein Lächeln auf Alix’ Gesicht. „Gute Antwort.“
Die Musik hatte eine hypnotische Wirkung auf Colette, die sich in ihr Übungsprogramm stürzte. Die ganze Zeit über spürte sie, wie Alix sie beobachtete, wie sie sie stumm dazu ermutigte, Christian noch eine Chance zu geben – sich selbst noch eine Chance zu geben. Aber Alix konnte wohl nicht verstehen, dass die Situation aussichtslos war. Und die ganze Wahrheit konnte Colette ihr nicht erzählen.
Als sie ihr Training beendet hatten, sich umgezogen hatten und hinausgegangen waren, zog Alix die Zigarettenschachtel hervor und zündete sich eine Zigarette an.
„Wann hast du angefangen zu rauchen?“, fragte Colette und versuchte, sich die Missbilligung, die sie eigentlich empfand, nicht anmerken zu lassen.
„Samstag.“ Sie sog den Rauch tief ein. „Ich möchte nicht darüber reden, okay?“
„Aber …“
„Ich muss rauchen, bis diese Hochzeit endlich vorüber ist. Dann höre ich auf.“
„Wenn du das sagst.“ Colette seufzte. Plötzlich bemerkte sie, dass sie sich noch gar nicht nach Alix’ Problemen erkundigt hatte. „Möchtest du eine Tasse Kaffee dazu?“
„Hab keine Zeit“, antwortete Alix, zuckte die Schultern und stieß eine Rauchwolke aus.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Colette. „Ich war so beschäftigt mit meinen eigenen Sorgen, dass ich gar nicht darauf geachtet habe, wie es dir überhaupt geht.“
Kopfschüttelnd winkte Alix ab. „Mach dir keine Gedanken darüber. Es ist nicht so schlimm.“
„Aber es ist immerhin schlimm genug, dass du anfängst zu rauchen – also ist doch ganz sicher irgendetwa s vorgefallen.“
„Nein, bis jetzt noch nicht“, erwiderte Alix geheimnisvoll, warf die halb gerauchte Kippe auf den Fußboden und trat sie mit der Spitze ihres Stiefels aus. „Hör zu, wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich lieber nicht darüber sprechen.“
„Wie du willst.“
Alix grinste. „Danke. Das weiß ich zu schätzen.“
„Wirst du zurechtkommen?“, fragte Colette.
Mit einem Mal wirkte Alix nicht mehr ganz so zuversichtlich. „Ich weiß es nicht“, sagte sie. „Frag mich nächste Woche noch mal.“
24. KAPITEL
Alix Townsen d
Als Alix erwachte, fühlte sie sich furchtbar. Es juckte überall, und ihr war leicht unwohl. Während sie sich in der Armbeuge kratzte, setzte sie sich auf und schaltete die Nachttischlampe an. Der Wecker würde sowieso in zehn Minuten klingeln, also gab es keinen Grund, das Unvermeidliche noch länger vor sich herzuschieben. In dem Moment, als sie das Licht einschaltete, wusste Alix, dass ihre Vermutung richtig war.
Nesselsucht.
Der juckende Ausschlag hatte sie vollständig erfasst. Niemand musste ihr erklären, warum die Krankheit ausgebrochen war. Es war der Stress wegen dieser verdammten Hochzeit. Nichts hatte geholfen. Die Zigaretten nicht. Nicht mehr mit Jordan darüber zu sprechen, auch nicht. Oder so zu tun, als hätte sie nicht gehört, wie Jacqueline mit Susan telefoniert hatte. Tatsächlich gab es ihrer Meinung nach nur eine Lösung …
In den achtzehn Monaten, die sie schon im French Café arbeitete, hatte Alix sich nicht ein Mal krankgemeldet. Und obwohl ihre Arme geschwollen und ihr Gesicht fleckig war, tat sie es auch jetzt nicht gern. Nicht zur Arbeit zu erscheinen – besonders in allerletzter Sekunde, wie in ihrem Fall –, war für das ganze Team schwierig. Alix nahm ihre Verantwortung sehr ernst.
Zögerlich hob sie den Hörer ab. Nachdem sie den Anruf hinter sich gebracht hatte, schluckte sie zwei Kapseln eines Antihistaminikums und legte sich wieder ins Bett.
Zum Glück machten die Tabletten sie schläfrig, und als sie wieder aufwachte, fühlte sie sich ein bisschen besser. Sie duschte, trug Galmei-Lotion auf die Quaddeln auf und zog eine weite Jeans und ein altes T-Shirt an. Dann nahm sie den Bus zur Blossom Street. Doch sie stieg nicht beim French Caf é aus. Stattdessen ging sie zur Freien Methodistischen Kirche, wo sie Jordan finden
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