Die Farben der Zeit
Baine, Sir.«
»Kann ich ihm sagen, daß er weggehen soll?« fragte ich Verity fast lautlos.
»Nein«, flüsterte sie zurück, warf die Bettdecken über Cyril und schickte sich an, unters Bett zu kriechen.
Ich packte ihren Arm und flüsterte: »Der Kleiderschrank.«
»Sofort, Baine«, rief ich. »Eine Sekunde«, öffnete die Türen des Schrankes, und Verity schlüpfte hinein. Ich schloß die Tür, öffnete sie noch einmal, schob den Zipfel von Veritys Nachthemd hinterher und schloß die Tür wieder. Dann vergewisserte ich mich, daß kein Teil von Cyril unter den Bettdecken hervorschaute, postierte mich vor das Bett und rief: »Herein.«
Baine öffnete die Tür, einen Stoß Hemden im Arm. »Ihr Boot wurde gefunden, Sir«, sagte er und ging geradewegs auf den Schrank zu.
Ich vertrat ihm den Weg. »Sind das meine Hemden?«
»Nein, Sir«, erwiderte er. »Ich lieh sie von den Chattisbournes, deren Sohn in Südafrika ist, solange, bis Ihre eigenen Sachen geschickt worden sind.«
Meine eigenen Sachen. Und von wo aus bitte sollten meine eigenen Sachen geschickt werden? Doch ich hatte dringendere Probleme. »Legen Sie die Hemden in die Kommode«, sagte ich, immer noch zwischen ihm und dem Schrank stehend.
»Sehr wohl, Sir.« Baine sortierte die Hemden sorgfältig in die obere Schublade. »Ich habe auch eine Garnitur Abendkleidung und einen Tweedanzug besorgt, reinigen und für Ihre Größe ändern lassen. Sie werden morgen früh fertig sein, Sir.«
»Gut«, sagte ich. »Danke, Baine.«
»Ja, Sir.« Er verließ das Zimmer ohne weitere Aufforderung.
»Das war aber nahe…« begann ich, als er mit einem Tablett zurückkam, auf dem eine Porzellantasse, ein silbernes Kännchen und ein kleiner Teller mit Biskuits stand.
»Ich dachte, etwas Schokolade wäre angenehm, Sir.«
»Danke, Baine.«
»Im Schrank sind noch zusätzliche Decken, Sir. Soll ich eine aufs Bett legen?«
»Nein!« Wieder stellte ich mich zwischen den Schrank und ihn. »Danke. Das ist alles, Baine.«
»Ja, Sir«, sagte er, ging aber nicht. »Sir«, sagte er nervös, »wenn ich da noch etwas sagen dürfte…«
Entweder wußte er, daß Verity im Kleiderschrank steckte oder daß ich ein Betrüger bin, dachte ich. Oder beides.
»Ja, was ist?«
»Ich… ich wollte nur sagen…« – wieder zögerte er nervös, und ich merkte, wie bleich und hager er aussah –,»… wie dankbar ich Ihnen bin, daß Sie Prinzessin Arjumand zurückgebracht haben.«
Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. »Dankbar?« wiederholte ich verblüfft.
»Ja, Sir. Mr. St. Trewes sagte mir, daß Sie derjenige waren, der sie gefunden hat, nachdem Ihr Boot kenterte und Sie ans Ufer geschwommen waren. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für unverschämt Sir, aber Miss Mering hängt außerordentlich an ihrer Katze, und ich hätte mir niemals vergeben, wenn Prinzessin Arjumand etwas geschehen wäre.« Wieder zögerte er mit unruhigem Blick. »Es war nämlich meine Schuld.«
»Ihre Schuld?« fragte ich verständnislos.
»Ja, Sir. Wissen Sie, Colonel Mering sammelt Fische. Aus dem Orient. Er hält sie in einem Teich im Steingarten.«
»Ah, ja«, sagte ich und hoffte, daß die Symptome der Zeitkrankheit nicht gerade wieder erneut bei mir ausbrachen. Ich konnte keinen Zusammenhang entdecken.
»Ja, Sir. Prinzessin Arjumand hat die unglückselige Angewohnheit, Colonel Merings Fische zu fangen und zu fressen, gleichgültig, wie sehr ich sie auch davon abzuhalten versuche. Katzen sind, wie Sie wissen, unbeeindruckt von Drohungen.«
»O ja«, sagte ich. »Und von Bitten und Betteln und…«
»Die einzige disziplinarische Maßnahme, die bei Prinzessin Arjumand Wirkung zeigt, ist…«
Plötzlich dämmerte es mir. »Sie in den Fluß zu werfen«, sagte ich.
Aus dem Kleiderschrank kam ein Ton wie ein Aufstöhnen, aber Baine schien es nicht zu hören. »Ja, Sir«, sagte er. »Das heilt sie natürlich nicht von ihrer Vorliebe. Man muß die Maßnahme ungefähr einmal pro Monat wiederholen. Ich werfe sie nur ein kurzes Stück hinaus. Katzen können recht gut schwimmen, wenn sie dazu gezwungen sind. Besser als Hunde. Dieses Mal aber gelangte sie offenbar in die Strömung und…« Er verbarg das Gesicht in den Händen. »Ich fürchtete, sie sei ertrunken«, sagte er verzweifelt.
»Na, na.« Ich nahm ihn am Arm und half ihm zu dem mit Chintz bespannten Stuhl. »Setzen Sie sich. Sie ist nicht ertrunken. Es geht ihr ausgezeichnet.«
»Sie fraß die silberne Kaiserpfauentaube des Colonel. Ein
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