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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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er zu mir, »was halten Sie vom victorianischen Zeitalter?«
    Das victorianische Zeitalter. Lange verträumte Nachmittage auf der Themse und Crocketspiel auf smaragdgrünen Wiesen mit Mädchen in weißen Kleidern und flatternden Bändern im Haar. Und danach Tee unter einer Weide, serviert in zerbrechlichen Sevres-Tassen von beflissenen Butlern, die sorgsam bemüht sind, jedermanns Schrullen zu erfüllen, und dieselben Mädchen, die laut aus einem schmalen Band Gedichte vorlesen, ihre Stimmen wie Blütenblätter in der duftenden Luft schwebend. »›Den ganzen goldenen Nachmittag, dorthin, wo um verschlung’ne Kindheitsträume verborgen sich Erinnerung’ windet…‹« [5]
    Finch schüttelte den Kopf. »Ich halte das für keinen guten Einfall, Mr. Dunworthy.«
    »Unsinn«, sagte Dunworthy. »Hören Sie ihm doch zu. Er paßt genau dorthin.«

»Wenn man das Unmögliche ausschließt, muß das, was übrigbleibt, gleichgültig, wie unwahrscheinlich es auch erscheinen mag, die Wahrheit sein.«
    Sherlock Holmes
     
3. Kapitel
     
     
    Ein leichter Job • Engel, Erzengel, Cherubim, Mächte, Throne, Untergebene und Das Andere • Schläfrigkeit • Unterricht in Geschichte und Gebräuchen des victorianischen Zeitalters • Gepäck • Die inspirierende Geschichte von Marineleutnant Klepperman • Mehr Gepäck • Schwierigkeiten, Laute zu unterscheiden • Fischgabeln • Sirenen, Luftgeister, Nymphen, Dryaden und Das Andere • Eine Ankunft • Doch nicht des Menschen bester Freund • Eine weitere Ankunft • Eine plötzliche Abreise
     
     
    »Halten Sie das wirklich für eine gute Idee?« fragte Finch. »Er leidet doch bereits unter fortgeschrittener Zeitkrankheit. Ein solch großer Sprung wird vielleicht…«
    »Nicht unbedingt«, sagte Dunworthy. »Und wenn er seinen Auftrag erfüllt hat, kann er so lange dort bleiben, wie er zum Erholen braucht. Sie haben ihn ja selbst gehört. Es ist der ideale Ort, um Urlaub zu machen.«
    »Aber wird er in seinem Zustand überhaupt…?« fragte Finch besorgt.
    »Der Job ist ganz leicht. Ein Kind könnte ihn erledigen. Allerdings muß er erledigt werden, bevor Lady Schrapnell zurückkehrt. Ned ist der einzige Historiker in Oxford, der nicht irgendwo unterwegs ist, um Misericordien [6] nachzujagen. Bringen Sie ihn zum Netz hinüber, rufen Sie dann die Abteilung Zeitreise an und bitten Sie Chiswick, zu mir zu kommen.«
    Das Telefon klingelte, und Finch hob den Hörer ab. Er lauschte eine beträchtliche Zeitspanne. »Nein, er war im Royal Masonic«, sagte er schließlich. »Sie beschlossen, aber noch ein TWR durchzuführen, und deshalb mußten sie ihn ins St. Thomas bringen. Ja, in der Lambeth Palace Street.« Er lauschte wieder und hielt dann den Hörer etwas vom Ohr weg. »Nein, diesmal bin ich mir sicher.« Dann legte er auf. »Das war Lady Schrapnell«, erklärte er unnötigerweise. »Ich befürchte, sie wird bald wieder hier sein.«
    »Was ist ein TWR?« fragte Dunworthy.
    »Eine Erfindung von mir. Es wäre das Beste, Mr. Henry ginge jetzt hinüber zum Netz, um sich vorzubereiten.«
    Finch brachte mich hin, wofür ich sehr dankbar war, vor allem weil es mir vorkam, als liefen wir in die völlig falsche Richtung, obwohl die Tür, als wir ankamen, aussah wie immer und die üblichen Demonstranten davor Posten bezogen hatten.
    Sie trugen Leuchtplakate mit der Aufschrift: »Was stimmt nicht mit der, die wir bereits haben?« – »Laßt Coventry in Coventry!« – »Sie gehört uns!« Einer der Demonstranten überreichte mir einen Handzettel, der mit den Worten begann: »Der Wiederaufbau der Kathedrale von Coventry wird fünfzig Milliarden Pfund kosten. Für diesen Betrag könnte man nicht nur die jetzige Kathedrale zurückkaufen und restaurieren, sondern auch ein moderneres, größeres Einkaufszentrum an ihre Stelle setzen.«
    Finch nahm mir das Traktat aus der Hand, gab es dem Demonstranten zurück und öffnete die Tür.
    Das Netz sah aus wie immer, aber die dickliche junge Frau an der Konsole war mir fremd. Sie trug einen weißen Laborkittel, und mit dem Kranz ihres kurzgeschnittenen Haares sah sie eher aus wie ein Cherub als eine Netztechnikerin.
    Finch schloß die Tür hinter uns, und die Frau wirbelte herum. »Was wollen Sie?« fragte sie barsch.
    Vielleicht eher ein Erzengel als ein Cherub.
    »Wir wollen einen Sprung vorbereiten lassen«, sagte Finch. »Victorianisches Zeitalter, England.«
    »Ausgeschlossen«, schnauzte sie.
    Tatsächlich – ein Erzengel. Die Sorte, die Adam

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