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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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konnte nicht sein. Meine Kleidung mochte noch durchgehen, aber nicht ihr langes, hochgeschlossenes Kleid und aufgestecktes Haar.
    Die Orte und die Zeit, wo sie allein durch ihr Aussehen eine Inkonsequenz hervorrufen würde, waren äußerst begrenzt, doch glücklicherweise alle zivilisiert.
    »Kann ich Ihnen helfen, Sir?« fragte die Verkäuferin und schaute mißbilligend auf meinen Schnurrbart. Den hatte ich ganz vergessen. Ging man in den Dreißigern glattrasiert? Hercule Poirot trug doch auch einen Schnurrbart, oder?
    »Ja, bitte«, sagte ich. Und welche Bücher mochten sie bei Blackwell’s in den Dreißigern haben? Den Herrn der Ringe? Nein, der kam später. Goodbye, Mr. Chips? Das wurde zwar 1934 veröffentlicht, aber war das schon vorbei? Ich konnte auf dem Block der Verkäuferin kein Datum erkennen, und das letzte, was wir noch brauchten, wo uns sowieso schon das Kontinuum in Stücken um die Ohren fiel, war eine weitere Inkonsequenz.
    »Verfall und Untergang des Römischen Reiches.« Damit ging ich auf Nummer Sicher. »Von Gibbon.«
    »Das haben wir im ersten Stock«, sagte sie. »Bei Geschichte.«
    Ich wollte aber nicht in den ersten Stock gehen, sondern dicht beim Netz bleiben. Was gab es unten? Achtzig Jahre später Metafiktion, doch ich bezweifelte, daß sie das schon hatten. Alice hinter den Spiegeln? Doch vielleicht war die Kinderliteratur bereits in einem separaten Laden.
    »Die Treppe zum Obergeschoß ist dort drüben.« Die Verkäuferin zog den Bleistift hinterm Ohr hervor und deutete damit.
    »Haben Sie Drei Mann in einem Boot von Jerome?« fragte ich.
    »Da muß ich nachsehen«, erwiderte sie und ging ins Hinterzimmer.
    »Ganz zu schweigen von dem Hunde«, rief ich hinter ihr her und hechtete, kaum daß sie ums Buchregal verschwunden war, wieder zurück in meine Ecke.
    Ich hatte halb gehofft, daß das Netz sich öffnen oder wenigstens wie im Vorstadium leicht schimmern würde, aber nichts an der von oben bis unten mit Büchern bestückten Wand deutete darauf hin, daß es überhaupt jemals dort gewesen war. Oder darauf, in welchem Jahr ich mich befand.
    Wahllos zog ich Bücher heraus und schlug sie auf. Titelseite. 1904. 1930. 1931. 1756. Das ist das Problem bei Büchern. Sie sind zeitlos. 1892. 1914. Kein Datum. Ich schlug die Seite um. Immer noch kein Datum. Ich blätterte zurück und las den Titel. Kein Wunder. Herodotus’ Geschichte, grad das Buch, das der Colonel und Professor Peddick gestern abend gelesen hatten.
    Die Türklingel bimmelte. Vorsichtig spähte ich um die Ecke, in der Hoffnung, es wäre Verity. Es waren drei Damen mittleren Alters mit Pelzstolen und tiefkrempigen Hüten. Sie blieben im Türrahmen stehen, um den Schnee von ihren Stolen zu klopfen, als seien es Haustiere, und unterhielten sich in’ näselndem Tonfall.
    »…und brannte mit ihm durch!« sagte die Dame rechts. Ihre Stola glich einer flachen Version von Prinzessin Arjumand. »Wie romantisch!«
    »Aber mit einem Bauern!« sagte die in der Mitte. Ihre Stola erinnerte mehr an Cyril und war beinahe ebenso breit.
    »Es ist mir egal, ob er ein Bauer ist«, meinte die dritte. »Ich bin froh, daß sie ihn geheiratet hat.« Sie trug den wertvollsten Pelz, ein ganzes Bündel Füchse mit Köpfen und blanken kleinen Glasäuglein. »Wenn nicht, wäre sie immer noch in Oxford und würde sich bei Kirchenausschüssen langweilen und Wohltätigkeitsbasare ausrichten. Mein Gott, was wollte ich eigentlich kaufen? Heute morgen sagte ich noch zu Harold, wenn ich bei Blackwell’s bin, muß ich unbedingt… Was war das bloß?«
    »Ich brauche etwas für mein Patenkind zum Geburtstag«, sagte diejenige, die Cyril auf der Schulter trug. »Was nehm’ ich denn da? Alice wahrscheinlich, obwohl ich nie ganz begriffen habe, was Kinder daran finden. Das ganze Gerenne von einem Platz zu anderen, ohne Reim und Sinn. Auftauchen und Verschwinden.«
    »Oh, seht mal!« sagte das Bündel Füchse. Sie hatte ein Buch mit einem grünen Schutzumschlag von einem Verkaufstisch genommen. Ihre Hand, die in einem fuchsbraunen Handschuh steckte, verdeckte den Titel, aber ich konnte den Autorennamen erkennen: Agatha Christie.
    »Habt ihr ihr letztes Buch gelesen?« fragte sie die anderen beiden.
    »Nein«, entgegnete die mit Cyril auf den Schultern.
    »Ja«, sagte Prinzessin Arjumand. »Und es…«
    »Pscht!« Das Bündel Füchse hob warnend die Hand. »Sag mir nicht, wie’s ausgeht!« Sie wandte sich Cyril zu. »Cora verdirbt mir immer das Ende. Erinnerst du

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