Die Farben der Zeit
perlmuttfarbenen Ryunkin zu fressen«, erwiderte Colonel Mering erbost. »Kostete zweihundert Pfund.«
»Aber er hat Prinzessin Arjumand mitgenommen«, sagte Verity beschwörend, »und er hat verhindert, daß Madame Iritosky Tante Malvinias Rubinenhalsband stehlen konnte. Und er hat Gibbon gelesen.« Sie legte ihre Hände aufs Geländer und schaute zu ihm hoch. »Und sie ist Ihre einzige Tochter.«
Colonel Mering schaute mich hilfesuchend an. »Was meinen Sie, Henry? Wird dieser Bursche von Butler ihr ein guter Ehemann sein?«
»Er will nur ihr Bestes«, sagte ich mit überzeugter Stimme.
Der Colonel schüttelte den Kopf. »Fürchte, meine Frau ist durch und durch entschlossen, niemals wieder mit unserer Tochter zu sprechen. Sagt, von diesem Moment an sei Tossie für sie gestorben.« Bekümmert stieg er ein paar Stufen hoch.
»Aber sie ist doch Spiritistin.« Verity folgte ihm. »Sie ist doch imstande, mit den Toten zu sprechen.«
Das Gesicht des Colonels erhellte sich. »Phantastische Idee! Könnten eine Seance veranstalten.« Glücklich setzte er den Aufstieg fort. »Liebe Seancen. Könnte klopfen ›Vergib‹. Muß klappen. Dachte niemals, daß dieser ganze Blödsinn doch zu was gut sein könnte.« Er klopfte dreimal aufs Geländer. »Phantastische Idee!« Er wollte den Korridor entlang, hielt aber noch mal inne und legte seine Hand auf Veritys Arm. »Solltet packen und so schnell wie möglich zum Bahnhof fahren. Will nur das Beste für euch. Die Nerven, weißt du.«
»Ich verstehe vollkommen.« Verity öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. »Mr. Henry und ich brechen sofort auf.« Sie schloß die Tür hinter sich.
Colonel Mering verschwand im Korridor, wo sich eine Tür öffnete und schloß, aber nicht, bevor nicht Mrs. Merings Stimme gleich die der Herzkönigin in Alice im Wunderland herausgedröhnt hatte: »…endlich verschwunden? Ich sagte dir, daß…« – peng.
Es war Zeit, aufzubrechen.
Ich ging hoch in mein Zimmer, öffnete den Schrank und holte meine Reisetasche heraus. Dann setzte ich mich aufs Bett, stellte sie neben mich und überlegte, was gerade geschehen war. Irgendwie hatte das Kontinuum es fertiggebracht, die Inkonsequenz zu beseitigen und Liebende einander zuzuführen wie in einer Shakespearschen Komödie, obwohl mir nicht klar war, wie es das geschafft hatte. Klar war aber, daß es uns bei dem, was immer es auch getan hatte, nicht hatte dabeihaben wollen. Also hatte es etwas getan, das, nur aber der Zeitreise entsprechend, dem Einsperren in unsere Zimmer gleichgekommen war. Aber warum hatte es uns nach Coventry während des Luftangriffs geschickt, einem Krisenpunkt, wo wir doch nur noch mehr Schaden anrichten konnten? Oder war Coventry selbst der Krisenpunkt? Die Unmöglichkeit, es während des Angriffs zu erreichen, hatte daraufhin gedeutet, daß es ein Krisenpunkt war und logischerweise sollte Ultras Verwicklung in die Sache es ebenfalls zu einem machen, aber vielleicht war der Luftangriff nur off-limits, wenn wir nach des Bischofs Vogeltränke suchten, denn Verity und ich waren ja jetzt dort gewesen. Vielleicht war es off-limits gewesen, um uns die Dinge klarer zu machen.
Doch wozu? Damit wir beobachten konnten, wie Probst Howard die Kerzenleuchter und Regimentsfahnen zur Polizeistation brachte und damit wir sahen, daß des Bischofs Vogeltränke nicht unter den geretteten Gegenständen war? Damit wir sahen, daß sie sich während des Angriffs nicht in Kirche befand?
Ich hätte alles darum gegeben, dies nicht gesehen zu haben und es Lady Schrapnell nicht sagen zu müssen. Doch sie war eindeutig nicht dort gewesen. Ich fragte mich, ob sie jemand gestohlen hatte und wann.
Es mußte am Nachmittag passiert sein. Carruthers sagte, daß Miss Sharpe, die Befehlshaberin des Blumenausschusses, des Bischofs Vogeltränke gesehen hatte, als sie die Kathedrale nach dem Adventsbasar und dem Treffen des »Päckchen-für-unsere-Soldaten«-Komitees verlassen hatte, stehengeblieben war und drei verwelkte Stengel herausgezogen hatte.
Alles begann zu verschwimmen, genauso wie damals, als Finch gesagt hatte: »Sie stehen auf Mertons Sportgelände«, und ich griff haltesuchend nach dem Bettpfosten, als sei er der Fußgängereingang.
Eine Tür wurde zugeschlagen. »Jane!« hörte ich Mrs. Merings Stimme vom Korridor her. »Wo ist mein schwarzes Wollkleid?«
»Hier, Ma’am«, erwiderte Janes Stimme.
»Oh, das geht ja gar nicht!« Wieder Mrs. Merings Stimme. »Es ist viel zu warm für Juni. Wir müssen
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