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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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albern. »Oder?«
    »Wenn nicht«, sagte Miss Warder lächelnd, »hol ich dich persönlich zurück.«
    »Ich glaub’s einfach nicht«, flüsterte ich Verity zu.
    »Zeitkrankeit«, flüsterte sie zurück, während Miss Warder gurrte: »Ich habe ein Zehn-Minuten-Intermittent gesetzt.«
    »Ich bleibe keine Sekunde länger fort, als ich muß«, versicherte Carruthers. »Ich bin so schnell zurück wie’s geht, damit ich dich zur Einweihung begleiten kann.« Damit zog er sie in seine Arme und gab ihr einen langen Kuß.
    »Tut mir leid, daß ich dieses zärtliche Beisammensein unterbrechen muß«, sagte ich, »aber in zwei Stunden ist die Einweihung.«
    »Schon gut«, schnappte Miss Warder, strich noch einmal glättend über Carruthers Kragen, um dann zur Konsole zurückzustapfen. Liebe mag zwar alles und jeden besiegen, aber alte Gewohnheiten sind nur schwer abzulegen, und ich hoffte, Baine beabsichtigte, sich in den Vereinigten Staaten in der Nähe eines Flusses niederzulassen.
    Miss Warder senkte die Schleier, und Carruthers verschwand. »Wenn er nicht wohlbehalten in zehn Minuten zurück ist«, sagte sie zu mir, »sende ich Sie zum Hundertjährigen Krieg.« Und dann zu Verity: »Sie haben versprochen, die Chorgewänder zu pressen.«
    »Gleich«, sagte ich und reichte Verity eines der Faksimiles.
    »Wonach suchen wir?« fragte sie.
    »Briefe an den Herausgeber. Oder einen offenen Brief. Ich bin mir nicht sicher.«
    Ich durchblätterte den Midlands Daily Telegraph. Ein Artikel über den Besuch des Königs, eine Liste der Opfer, ein Artikel, der mit dem Satz begann: »Ein überwältigender Beweis für Coventrys Willen, sich wieder aus den Trümmern zu erheben.«
    Im Coventry Standard fand ich eine Anzeige für Luftschutz-Sandsäcke, Standardausführung, zum Preis von 36 Pfund und 6 Shilling pro hundert Stück, ebenso ein Bild der ausgebombten Kathedrale.
    »Hier sind noch mehr Briefe.« Verity gab mir ihr Blatt.
    Ein Brief, in dem die Feuerwehr für ihren mutigen Einsatz gelobt wurde und einer, in dem jemand anfragte, ob irgend jemand Molly, eine wunderschöne Gingerkatze gefunden hätte, die zuletzt in der Nacht vom 14. November in der Greyfriars Lane gesehen worden war. In einem weiteren Brief beklagte sich ein Leser über die Luftschutzwarte.
    Die Außentür öffnete sich, und Verity fuhr hoch, aber es war nicht Lady Schrapnell. Es war Finch. Schneeflocken bedeckten sein Haar und seine Butlerlivree. Sein rechter Ärmel war durchnäßt.
    »Wo waren Sie?« fragte ich. »Sibirien?«
    »Es ist mir nicht erlaubt, darüber zu sprechen«, entgegnete er und wandte sich T. J. zu. »Mr. Lewis, wo ist Mr. Dunworthy?«
    »In London.« T. J. starrte auf den Bildschirm.
    »Oh.« Finch klang sehr enttäuscht. »Gut, sagen Sie ihm…« – er warf uns einen wachsamen Blick zu –, »der Auftrag sei beendet.« Er wrang seinen Ärmel aus. »Obwohl der Teich eine dicke Eisschicht hatte und das Wasser am Gefrieren war. Sagen Sie ihm, es wären…« – wieder ein wachsamer Blick zu uns – »es wären sechs.«
    »Und ich hab’ nicht den ganzen Tag Zeit«, schimpfte Miss Warder. »Hier ist Ihr Beutel.« Sie reichte ihm einen großen Sack. »So können Sie nicht springen.« Ein abschätzender Blick auf Finch. »Kommen Sie. Ich werde dafür sorgen, daß Sie erstmal trocken werden.« Sie führte ihn in den Vorbereitungsraum. »Dabei bin ich nicht mal der Techniker. Ich bin lediglich eingesprungen. Ich muß die Altartücher bügeln, ich habe ein Zehn-Minuten-Intermittent laufen…« Die Tür schloß sich hinter ihnen.
    »Was soll das bedeuten?« fragte ich.
    »Hier.« Verity reichte mir ein weiteres Blatt. »Noch mehr Briefe an den Herausgeber.«
    Drei Briefe, die sich mit dem Besuch des Königs in Coventry beschäftigten, einer, der sich über das Essen in den mobilen Kantinen beschwerte, einer, in dem ein Basar in St. Aldate’s zugunsten der Opfer des Luftangriffs angekündigt wurde.
    Finch kam abgetrocknet und gekämmt wieder herein, im Schlepptau von Miss Warder, die immer noch schimpfte. »Es will mir nicht in den Kopf, warum wir Sie alle an einem einzigen Tag durchbringen müssen«, sagte sie und marschierte zur Konsole, um auf die Tasten zu hämmern. »Ich habe drei Rendezvous, fünfzig…«
    »Finch«, sagte ich, »wissen Sie, ob Mrs. Bittner an der Einweihung teilnimmt?«
    »Mr. Dunworthy bat mich, ihr eine Einladung zu schicken«, erwiderte er, »und ich dachte, es wäre für sie, vor allen anderen, wichtig, daß die Kathedrale

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