Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
Vom Netzwerk:
an, die, blutunterlaufen, wie sie waren, einem Bluthund Ehre gemacht hätten, und einer Miene, als wolle er sagen: »Bitte.«
    »Nein«, sagte ich entschieden. »Katzen mögen keine Hunde.«
    Er fing wieder an zu schnüffeln, die Nase eng auf den Boden gepreßt.
    »Na gut, du kannst mitkommen«, sagte ich, weil es klar war, daß er sowieso nicht mehr verschwinden würde. »Aber bleib dicht bei mir.«
    Ich ging auf die Lichtung zurück, goß die Sahne in eine Untertasse, nahm das Seil und ein paar Streichhölzer. Cyril beobachtete mich interessiert.
    »Auf dann, Watson!« sagte ich und hielt die Laterne hoch. »Die Jagd beginnt!« Gleich darauf verschluckte uns die Dunkelheit.
    Es war ausgesprochen finster. Hinzu kamen das Quaken der Frösche, das Rascheln der Blätter, das Gurgeln des Flusses, alles begleitet von Rattern, Pfeifen und einem schabenden Geräusch wie von Schlangen. Der Wind frischte auf, ich hielt die Hand schützend vor die Laterne und dachte, was für eine wunderbare Erfindung die Taschenlampe ist. Sie leuchtet weit und man kann den Strahl in alle Richtungen lenken. Das Laternenlicht konnte ich nur lenken, indem ich die Laterne nach oben oder unten hielt. Ihr Licht war warm und flackernd, aber seine einzige Funktion schien darin zu bestehen, alles außerhalb seines Scheines schwarz wie ein tiefes Loch erscheinen zu lassen.
    »Prinzessin Arjumand?« rief ich alle paar Schritte. »Miez, miez!« und »Huhu!« Ich verstreute Brotkrumen, während ich voranschritt, hin und wieder stellte ich die Untertasse mit Sahne vor einen vielversprechend aussehenden Busch und wartete.
    Nichts geschah. Keine glühenden Augen erschienen. Die Nacht wurde noch dunkler, die Luft klamm, als würde es gleich zu regnen beginnen.
    »Siehst du etwas von ihr, Cyril?« fragte ich.
    Wir trotteten weiter. Am Nachmittag hatte die Gegend einigermaßen zivilisiert gewirkt, jetzt aber schien sie nur noch aus Dornbüschen, Unterholz und drohenden, klauenartig aussehenden Ästen zu bestehen. Die Katze konnte überall und nirgends sein.
    Da – unten am Fluß. Ein Aufblitzen von Weiß.
    »Los, Cyril«, sagte ich und setzte mich Richtung Fluß in Bewegung.
    Da war es wieder, inmitten der Binsen. Es bewegte sich nicht. Vielleicht war die Katze eingeschlafen.
    »Prinzessin Arjumand?« Ich griff durch die Schilfhalme nach ihr. »Da bist du, du unartiges Ding.«
    Das Weiß richtete sich plötzlich auf, ein langer gekurvter Hals wurde sichtbar.
    »Krwäääg!« machte es, in heftiges weißes Flügelschlagen explodierend. Ich ließ die Untertasse mit Sahne fallen.
    »Ein Schwan«, sagte ich unnötigerweise. Ein Schwan. Einer dieser vergangenen schneeweiß gefiederten Schönheiten der Themse, die mit graziös geneigten Hälsen majestätisch an den Uferbänken vorbeiglitten. »Ich habe mir immer gewünscht, einen zu sehen«, sagte ich zu Cyril.
    Er war nicht mehr an meiner Seite.
    »Krwäääg«, machte der Schwan und entfaltete seine Schwingen zu einer beeindruckenden Spannweite, ganz offenbar darüber irritiert, daß er geweckt worden war.
    »Entschuldigung«, sagte ich zurückweichend. »Ich dachte, du wärest eine Katze.«
    »Schzzz«, zischte der Schwan. Er setzte sich in Bewegung.
    In keinem der poetischen Ergüsse über Schwäne war je davon die Rede gewesen, daß sie zischten. Oder daß sie beleidigt waren, wenn man sie mit Katzen verwechselte. Oder daß sie bissen.
    Es gelang mir schließlich, zu entkommen, indem ich durch ein dickes Gebüsch mit Dornen brach, halbwegs einen Baum erklomm und mit dem Fuß so lange nach dem Schnabel des Schwans stieß, bis dieser endlich, Drohungen und Verwünschungen zischend, wieder zum Fluß hinunterwatschelte.
    Für den Fall, daß es sich dabei nur um einen Trick handelte, wartete ich fünfzehn Minuten ab, dann kletterte ich hinunter und untersuchte meine Wunden. Die meisten waren hinten und deshalb schwierig zu sehen. Ich wand mich im Kreis, um zu erkennen, ob ich blutete. Dabei erblickte ich Cyril, der mit beschämter Miene hinter einem Baum hervorkam.
    »Eine vernichtende Niederlage«, sagte ich. »Wie bei den Persern. In Drei Mann in einem Boot hatte Harris auch Probleme mit Schwänen.« Ich wünschte, ich hätte mich eher an dieses Kapitel erinnert. »Sie versuchten, ihn und Montmorency aus dem Boot zu ziehen.«
    Ich hob die Laterne auf, die erstaunlicherweise so aufrecht hingefallen war, wie ich sie losgelassen hatte. »Wenn König Harold Schwäne zur Seite gestanden hätten, wäre England heute

Weitere Kostenlose Bücher