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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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an.
    »Das würde uns mindestens zwei Stunden einsparen. Außerdem muß es doch eine ganze Reihe historischer Sehenswürdigkeiten längs des Flusses geben, die Professor Peddick sich anschauen könnte«, improvisierte ich aus dem Stegreif. »Ruinen, Grabmäler und… Runnymede.« [42] Ich wandte mich zu Professor Peddick.
    »Ich nehme nicht an, daß blinder Zufall zur Unterzeichnung der Magna Charta führte, oder?«
    »Blinder Zufall? Persönlichkeit führte dazu. König Johanns Skrupellosigkeit, das zögerliche Handeln des Papstes, Erzbischof Langtons Beharren auf dem habeas corpus und dem Vorrang von Recht und Gesetz vor der Willkür der Krone. Zufälle! Ich würde gern hören, wie Overforce die Magna Charta mit blinden Zufällen zu erklären versucht!« Er leerte seine Teetasse und setzte sie mit entschiedener Geste hin. »Auf nach Runnymede!«
    »Und Ihre Schwester und Ihre Nichte?« fragte Terence.
    »Mein Aufwärter kann alles besorgen, was sie brauchen, außerdem ist Maudie ein findiges Mädchen. Der Fehler von König Johann bestand nämlich darin, nach Oxford zu kommen. Er hätte in London bleiben sollen. Dann wäre die ganze Geschichte vielleicht anders verlaufen. Wir machen diesen Fehler nicht«, sagte er und langte nach der Angel. »Wir werden nach Runnymede gehen. Nichts anderes bleibt uns übrig.«
    »Aber Ihre Schwester und Ihre Nichte wissen doch gar nicht, wo Sie hingegangen sind«, sagte Terence mit einem stirnrunzelnden, fragenden Blick zu mir.
    »Er kann von Abingdon aus ein Telegramm schicken«, schlug ich vor.
    »Ja, ein Telegramm.« Professor Peddick hüpfte beschwingten Schrittes in Richtung Uferböschung, Terences besorgten Blick im Nacken. »Meinst du nicht, er wird uns aufhalten?«
    »Unsinn«, sagte ich. »Runnymede liegt unten bei Windsor. Ich kann ihn hinrudern, während du Miss Mering in Muchings End besuchst. Wir könnten gegen Mittag dort sein. Du hast genügend Zeit, dich zu säubern, damit du von deiner besten Seite erscheinst. Wir können im Gerstenschnitter Station machen« – der Name eines Gasthofes, an den ich mich aus Drei Mann in einem Boot erinnerte –, »dort kannst du deine Hosen aufbügeln und deine Schuhe putzen lassen.«
    Und ich kann mich heimlich davonschleichen, um die Katze nach Muchings End zu bringen, dachte ich. Falls ich sie vorher finde.
    Terence schaute nicht ganz überzeugt. »Es könnte Zeit sparen«, sagte er.
    »Also abgemacht!« Ich raffte das Tuch zusammen und stopfte es in den Korb. »Du spülst, und ich bereite alles zum Schlafen vor.«
    Er nickte. »Im Boot ist nur Platz für zwei. Ich werde am Feuer schlafen.«
    »Nein«, sagte ich. »Ich schlafe am Feuer.« Dann ging ich die Wolldecken holen und breitete alle bis auf zwei, die ich zur Lichtung trug, auf dem Boden des Bootes aus.
    »Wäre es nicht gescheiter, du würdest sie neben das Feuer legen?« fragte Terence, das schmutzige Geschirr aufstapelnd.
    »Nein. Mein Arzt sagte, ich solle nicht direkt neben Rauch schlafen.«
    Während Terence mit hochgekrempelten Hosenbeinen im Fluß stand und das Geschirr wusch, nahm ich verstohlen eine Laterne und ein Seil an mich und hoffte, daß Professor Peddick auch ein Fischernetz mitgebracht hatte.
    Hätte ich Terence bloß gefragt, was Katzen eigentlich fraßen! Es war noch etwas von dem Stilton übriggeblieben. Fraßen Katzen Käse? Nein, das waren Mäuse. Mäuse mochten Käse. Und Katzen mochten Mäuse. Ich bezweifelte, daß wir Mäuse dabeihatten.
    Milch. Man sagte, sie liebten Milch. Die Frau, die auf dem Herbstbasar die Wurfbude mit den Kokosnüssen geleitet hatte, war über eine Katze erbost gewesen, die sich über die vor der Haustür stehende Milch hergemacht hatte. »Hat mit den Krallen einfach den Deckel abgerissen«, hatte sie gejammert. »Unverschämtes Biest.«
    Wir hatten keine Milch dabei, aber in der Flasche befand sich noch ein Rest Sahne. Ich schnappte mir die Flasche, ebenso eine Büchse Erbsen und eine mit eingelegtem Fleisch, einen Kanten Brot und den Dosenöffner, und versteckte alles auf der Lichtung. Dann ging ich zum Lagerfeuer zurück.
    Terence durchwühlte die Kisten. »Wo ist bloß die Laterne hingekommen? Ich weiß, daß wir zwei dabeihatten.« Er warf einen Blick zum Himmel. »Es sieht nach Regen aus. Vielleicht solltest du doch besser auch im Boot schlafen. Es wird ein bißchen eng werden, aber wir werden’s schon schaffen.«
    »Nein!« sagte ich. »Mein Arzt sagte, Flußnebel seien schädlich für meine Lungen«, eine

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