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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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dass er großes Glück hatte, weil man ihm überhaupt eine Chance gab, sich zu bewähren. Isork hatte ihm die Regeln zu Anfang deutlich genug erklärt, und Cerryl lebte lange genug in Fairhaven und in den Hallen, um zu wissen, dass ein offener Bruch der Regeln äußerst unklug und mitunter sogar lebensgefährlich war, wie das Beispiel des armen Kesrik zeigte.

 
LIII
     
    C erryl rutschte auf dem Hocker herum und blinzelte in die untergehende Sonne. Er beschattete die Augen und betrachtete die Weiße Hauptstraße, die fünf Meilen weit nach Westen lief, ehe sie sich teilte. Eine Abzweigung führte nach Nordwesten in Richtung Weevett und nach Vergren, während die Hauptstraße in westlicher Richtung bis zum Süden von Certis und zu den Osthörnern verlief.
    Nach nur drei Tagen Dienst, der vor der Dämmerung begann und nach der Abendglocke endete, taten ihm Kopf und Füße weh. Er blickte auf die ungeschickt zusammengehefteten Papierblätter, die ihm als Notizblock dienten. Ihm war überhaupt nicht bewusst gewesen, wie viele Wagen selbst an ruhigen Tagen die Tore passierten. Es fiel ihm erst jetzt auf, da er sie alle aufschreiben musste.
    Er betrachtete die letzten Eintragungen.
    … Muneat und Söhne, Kommissionäre, blauer Wagen, Hartweizenmehl von Certis nach Fairhaven, Plakette vorhanden …
    Sekis, Gewürzhändler mit Karren aus Hydlen, Gewürze und Kräuter, hat eine Plakette gekauft …
    Sein Gesicht war salzig und klebrig von den unzähligen Schweißtropfen, die sich unablässig auf seiner Haut bildeten und verdunsteten. Die Bauern mochten wegen der Ernte über das trockene, warme Wetter erfreut sein, aber ihm wurde es im zweiten Stock der Wachstube ziemlich heiß. Viel heißer, dachte er, als in der Wachstube am Nordtor.
    Fairhaven war von den schrecklichen Regengüssen, die in Hydlen einen Teil der Ernte zerstört hatten, verschont geblieben, aber was in der Nähe der Stadt angebaut wurde, konnte nicht die Ausfälle ausgleichen, die es überall sonst in Candar gegeben hatte. Nach eineinhalbjähriger Dürre war dort zu viel Regen auf einmal gefallen.
    Wieder blickte er nach Westen. Die Straße lief im schräg einfallenden Licht der Nachmittagssonne als rosafarbenes und weißes Band zum Tor.
    Irgendwo draußen auf der Straße konnte er im grellen Licht einen Wagen oder Karren sehen, der zur Weißen Stadt fuhr. Er strengte Augen und Sinne an, konnte aber nur die Bewegung spüren, sonst nichts. Nach einer Weile hörte er auch das leise Rumpeln der Eisenräder, also musste es ein schwerer Wagen sein.
    Widerstrebend stand Cerryl auf, damit er besser sehen konnte. Er beugte sich vor und stützte sich mit einer Hand auf die Steinmauer der Plattform, während der Wagen sich dem Tor näherte.
    Zwei Wächter ritten vor dem Vierspänner. Der Wagen bestand aus geöltem, nicht lackiertem Holz. Er hatte Fässer geladen, die mit Seilen gesichert waren. Neben dem Gespann ritt ein weiterer Wächter.
    Cerryl prüfte die Ladung mit den Sinnen, doch in den Fässern schien nur Mehl zu sein und die Chaos-Versiegelung der Plakette war intakt, höchstens eine Jahreszeit alt.
    Der Kutscher ließ die Zügel knallen und das Gespann wurde langsamer, bis es vor der Wachstube hielt.
    Der Leiter der Wache trat zum Kutscher.
    »Ich bin der Händler Hytul aus Rytel und liefere Mehl für den Kommissionär Jiolt.«
    Besolar, der Anführer der Wache, blickte kurz zur Plattform und zu Cerryl hinauf.
    »Nichts als Mehl in den Fässern«, bestätigte Cerryl. »Nichts unter dem Sitz. Die Plakette ist in Ordnung.«
    Die beiden Wächter neben Besolar schauten trotzdem auf die Ladefläche und unter den Sitz, als wollten sie bestätigen, was Cerryl gesagt hatte. Sie nickten.
    Als der Wagen anfuhr und durchs Tor rollte, setzte Cerryl sich auf den Hocker und nahm die Liste zur Hand, um die nächste Eintragung zu schreiben:
     
    Hytul, Händler, Wagen mit geölten Seitenwänden, Vierspänner, Mehl aus Rytel (Certis) nach Fairhaven für den Kommissionär Jiolt, Plakette in Ordnung …
     
    Danach lehnte er sich etwas zurück und schloss müde die Augen, um gleich danach wieder aufzufahren. Er unterdrückte ein Gähnen. Bei den dunklen Dämonen, er war müde. Aber er musste noch einen Glockenschlag abwarten, ehe die Tore für Wagen und Karren geschlossen wurden.
    Aus Angst, er könne auf dem Hocker einschlafen, stand er wieder auf, zuckte zusammen, als er den Fuß belastete, und ging zur Ecke der Plattform, um die Sonne zu beobachten, die gerade hinter den

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