Die Farben des Chaos
einer Schale mit frühen Pfirsichen und grünen Äpfeln und drei Keilen Käse – einer gelb, einer gelblich weiß und einer hell, fast weiß. Als sie alles abgestellt hatte, verschwand sie sofort wieder und kehrte gleich darauf mit zwei Tellern und Besteck zurück. Nach der dritten Runde standen auch noch zwei Becher aus Kristallglas und zwei Krüge auf dem Tisch. »Rotbeerensaft und helles Bier. Und jetzt esst, bevor Ihr mir verhungert.« Ein knappes Nicken, und sie zog sich zurück.
»Äh … sie ist aber …«
»Meridis gehört zur Familie. Sie hätte es mich sofort wissen lassen, wenn sie Einwände hätte. Aber sie mag dich, deshalb das Bier.«
»Warum?« Cerryl runzelte die Stirn. »Sie hat mich doch, soweit ich weiß, bisher nur ein einziges Mal gesehen.«
»Sie bildet sich rasch eine Meinung und ist nur selten bereit, sie zu ändern.« Leyladin lächelte. »Und meistens hat sie Recht. Nicht immer, aber so oft, dass ich ihr im Allgemeinen nicht zu widersprechen wage. Vater auch nicht.« Sie schenkte Cerryl Bier und sich selbst vom Rotbeerensaft ein.
Cerryl wartete, bis sie einen Schluck Saft getrunken hatte, ehe er das Bier kostete. »Es ist gut. Aber hier ist ja alles gut.«
»Alles?« Sie zog die Augenbrauen hoch.
»Alles.«
»Es freut mich, dass es dir gefällt. Nimm dir doch Käse oder was immer du sonst willst. Du bist so bleich.«
Cerryl schnitt sich von jeder Sorte ein paar Scheiben Käse ab und nickte ihr zu.
»Danke.« Die Heilerin nahm vom weißen und vom gelben Käse und brach sich ein Stück Brot ab.
Cerryl probierte den hellen Käse mit Brot. Ehe er sich’s versah, hatte er drei Stücke Käse gegessen.
»Du hattest aber wirklich Hunger.«
»Es war ein langer Tag«, erklärte er.
»Gestern hatte ich auch einen anstrengenden Tag. Ich bin todmüde ins Bett gefallen.«
»Wie geht es Fürst Estalins Sohn?«
»Er wird sich wieder erholen. So schlimm war es dann doch nicht.« Leyladin schüttelte den Kopf. »Manchmal …« Sie sah Cerryl an. »Hast du schon von Fürst Berofar gehört?«
Er runzelte die Stirn. »Was soll ich gehört haben? Beim Wachdienst am Tor bekomme ich nicht viel mit, und ich kenne nur wenige Voll-Magier, die mir etwas erzählen könnten – nur von den jüngeren kenne ich ein paar.«
»Es könnte nicht schaden, wenn du hin und wieder mal mit deinen Magier-Kollegen essen gehst. Je mehr dich persönlich kennen lernen …«
Er nickte. Das war durchaus vernünftig. »Was ist nun mit Fürst Berofar?«
»Er ist gestorben. Gorsuch … ich weiß nicht.«
»Was weißt du nicht?« Cerryl hatte den Eindruck, immer weniger zu verstehen, je mehr er hörte. Er nahm sich einen der grünen Äpfel und schnitt ihn in Keile, von denen er Leyladin anbot.
»Danke.« Sie nahm ein Stück und aß. »Berofar … er stammt von einem alten Geschlecht in Asula ab. Seine erste Gemahlin, sein Sohn und seine Tochter sind am Fieber gestorben. Das ist noch nicht einmal zehn Jahre her. Er hatte keinen anderen Erben. Ich glaube, an Frauen liegt ihm sowieso nicht viel. Aber er brauchte einen Erben und deshalb hat er wieder geheiratet. Der junge Uulrac wurde vor vier Jahren im Frühling geboren.«
Cerryl aß noch zwei Stücke Apfel und gab den Rest der blonden Heilerin. Er schnitt sich etwas Käse ab und hörte ihr weiter zu.
»Ich glaube, der Rat wird vorschlagen, dass Gorsuch als Regent eingesetzt wird.«
»Ist er nicht der Gesandte des Rates in Hydlen?«
Sie nickte. »Kommt dir das nicht seltsam vor?«
»Was denn?«
»Jeslek lässt Lyam von dir umbringen. Lyam wollte die Straßengebühren und Wegezölle nicht entrichten.
Der neue Präfekt von Gallos weiß jetzt, dass er jederzeit entfernt werden kann, wenn er sich nicht fügt. Der alte Vicomte von Certis wollte unsere Gebühren nicht zahlen und er und seine ganze Familie sind am blutigen Bauchfluss gestorben. Fürst Berofar hat sich davor gedrückt, uns Rekruten und Truppen zu schicken … und kaum dass ich mich um den Sohn eines anderen Fürsten kümmere und unabkömmlich bin, stirbt Berofar …«
»Seltsam« war nicht das Wort, das Cerryl in diesem Zusammenhang gebraucht hätte. Er konnte Strukturen erkennen, sobald er die Tatsachen sah. Er wusste aber einfach nicht genug und fragte sich, ob er jemals genug wissen würde. Fairhaven schien an der Oberfläche so durchschaubar und einfach wie ein ruhiger Ozean oder ein stiller See, aber die meisten Dinge spielten sich unter der Oberfläche ab. War es überall wie hier?
»Es ist
Weitere Kostenlose Bücher