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Die Farben des Chaos

Titel: Die Farben des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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Seite an, aber Leyladin hatte es anscheinend ernst gemeint. »Du lebst doch schon seit deiner Geburt hier.«
    »Die Leute hier halten sich an die Regeln, deshalb sieht man kaum Gesetzeshüter und Gesetzesbrecher.«
    Der Weiße Magier überlegte. Ja, die meisten Menschen kannten die Regeln und hielten sich daran. Sie kippten die Abfälle in die Abfallwagen, gossen das Nachtgeschirr in die Abflüsse und stritten oder prügelten sich so gut wie nie auf offener Straße. Räuber gab es nur sehr wenige, Bettler oder obdachlose Kinder überhaupt nicht – jedenfalls hatte er noch keine gesehen. Er runzelte die Stirn. »Was passiert mit den wirklich armen Menschen?«
    »Die meisten leben im Südwesten von Fairhaven.«
    »Ich meinte Menschen, die noch nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben.« Obwohl er schon fünf Jahre in der Stadt lebte, hatte er bisher noch nicht über Obdachlose nachgedacht. Im Bergwerk und auf dem Land, wo er aufgewachsen war, mussten die Erwachsenen und Kinder arbeiten, bis sie irgendwann starben. In Fairhaven hatte er noch keine Zeit gefunden, sich richtig umzusehen.
    »Dann jagt die Patrouille sie aus der Stadt. Wenn sie zurückkommen, werden sie mit Ausnahme von Säuglingen oder kleinen Kindern zum Straßenbau eingeteilt. Die Kinder werden in eine Kinderkrippe gesteckt. Wenn sie älter werden, bekommen sie irgendwo eine Stelle als Lehrlinge.« Leyladin machte eine unbestimmte Geste.
    Zum Straßenbau eingesetzt? Lebenslänglich wie die anderen? Er leckte sich die Lippen und überlegte sich, was er auf ihre Bemerkung antworten sollte. »Wahrscheinlich kommen sie zu den Gerbern und Bauarbeitern und in ähnliche Gewerbe.«
    »Das ist immer noch besser, als zu sterben. Es sind ehrbare Berufe, mit denen man sich seinen Lebensunterhalt verdienen kann.«
    Cerryl wäre beinahe zusammengezuckt. Er hätte durchaus eines dieser Kinder werden können, aber Leyladin hatte natürlich Recht. Selbst die Arbeit beim Straßenbau war besser, als zu sterben, und sicher nicht viel schlimmer, als lebenslänglich auf einem Acker herumzuwerkeln – oder sein Dasein als Abdecker zu fristen.
    »Es ist ein schöner Tag, hier ist es schöner als in Lydiar.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, antwortete er.
    Südlich des Marktplatzes wandte Leyladin sich nach links. Bald darauf hatten sie ihr Haus erreicht. Die rotblonde Heilerin zog einen großen Schlüssel aus Messing hervor und schob ihn ins Schloss. »Soaris hat heute frei und Vater ist schon wieder in Vergren. Anschließend will er nach Tyrhavven.«
    »Er war doch schon in Vergren, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
    »Er macht sich wegen irgendeiner Sache Sorgen, aber er will nicht damit herausrücken. Ich glaube, es hat mit Bauholz zu tun.« Leyladin öffnete und hielt ihm die Tür auf.
    Im Innern des Hauses war es kühler als draußen in der Nachmittagssonne. Viel kühler. Cerryl tupfte sich den Schweißfilm von der Stirn. Hoffentlich holte er sich zwischen diesen dicken Granitwänden keine Erkältung.
    »Meridis!« Die blonde Frau ging durch den Gang zum Hauptflur und verschwand durch eine weitere Tür.
    Cerryl folgte ihr in die Küche.
    Die grauhaarige Meridis, die heute ein hellblaues Hemd ohne Jacke trug, schaute vom Arbeitstisch auf. Sie hatte gerade etwas gerollt oder gewalzt. »Herrin, so früh habe ich Euch noch nicht zurückerwartet.«
    »Wir brauchen etwas zu essen. Es muss nichts Großes sein. Früchte, Käse, ein wenig Brot …«
    »Ja, das geht.« Meridis wischte sich die Hände an der betagten grauen Schürze ab, die sie umgelegt hatte. »Geht nur und setzt Euch. Es wird aber einen Augenblick dauern. Ich habe sogar kühlen Rotbeerensaft. Nun tummelt Euch schon.«
    Auf diese Weise aus der Küche gescheucht, folgte Cerryl seiner Gastgeberin in einen kleinen Raum, in dessen Mitte ein golden schimmernder Eichentisch mit vier Stühlen stand. Dieser Raum öffnete sich zu einem größeren, angrenzenden Raum, der sechseckig angelegt war. Die drei Außenwände wurden von großzügig bemessenen Fenstern eingenommen. Leyladin ließ sich auf einer Seite des Tisches auf einen Stuhl fallen und saß nun mit dem Rücken zu den Fenstern.
    Cerryl nahm ihr gegenüber Platz. »Rotbeerensaft?«
    »Ich trinke ihn, wann immer ich ihn bekommen kann. Wenn ich zu viel Wein oder Bier trinke, kann ich nicht mehr heilen. Es heißt, die Schwarzen Magier in Recluce trinken gar keinen Wein und auch sonst keine alkoholischen Getränke.«
    Meridis kam mit einem warmen Laib Brot,

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