Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
lassen. Er könnte sich den Kopf an der Kaminplatte stoßen, oder ein Funke könnte auf seinen Rock fallen und in Brand geraten.
Ich stehe auf, lege ein paar Kohlen nach und stochere in der Glut. Das Feuer flackert auf und qualmt. Am Fenster sind die Läden nicht geschlossen, und in dem unebenen Glas starrt mich mein zerzaustes Gesicht an. Das Spiegelbild ist so verzerrt, dass ich mich zuerst nicht erkenne.
Ich höre es draußen klappern, als eine Ratte, eine Katze oder ein Stadtstreicher im Hof etwas umstößt. Ich achte nicht darauf, und ich lasse die Fensterläden aufgeklappt, wie sie sind.
Mr. Blacklock hat sich aufgesetzt und lehnt sich an den Sessel vor dem Feuer. Als ich mich wieder setze und ihn anschaue, entdecke ich erneut jenes orangefarbene Feuer, das sich in seinen dunklen Augen widerspiegelt, als würde es in seinem Kopf brennen. Ich nehme den Stöpsel von der Karaffe auf dem Tisch, gieße noch etwas Wein in sein halb gefülltes Glas und trinke selbst davon. Es ist ein Rotwein, trocken und fruchtig und schwach metallisch wie Blut. Ich trinke noch ein Glas, bis mein Körper sich nicht mehr wie mein eigener anfühlt. Ich lege den Kopf zurück und nehme Schluck um Schluck. Ich will nicht allein sein mit ihm, meinem hässlichen, angeschwollenen Körper, der nicht mein eigener ist.
Ich fühle, wie die Tränen mir die Wangen hinunterlaufen. Ich schluchze nicht, aber die Tränen kommen trotzdem. Er und ich, wir beide geben ein klägliches Paar ab, denke ich. Neben uns schlagen Flammen aus dem prasselnden Feuer im Kamin. Er wird wach und richtet sich ein wenig auf. Schwankend, fast besinnungslos sitzt er zu meinen Füßen. Dann blickt er auf, und unsere Blicke treffen sich. Sein Gesicht sieht ganz hager aus vor Enttäuschung.
Ich kann es nicht ertragen, ihn so traurig zu sehen. Ich ertrage es nicht. Ich strecke die Hand aus und berühre seine Schulter. Ich berühre seinen Kopf. Ich halte seinen Kopf, ich beuge mich vor und halte ihn fest, und ich wiege ihn in meinen Armen, während ich aus Mitgefühl für ihn weine und für mich selbst und weil ich alles zerstört habe.
»John Blacklock, John Blacklock«, höre ich mich immer wieder sagen.
»Ich habe einen Fehler gemacht«, wispere ich. »Einen großen Fehler.«
Ich wiege ihn immer weiter. Sein Kopf liegt an meiner Brust, so dicht an meinem Bauch. Ich flehe ihn förmlich an, zu merken, was mit mir nicht stimmt. Aber jetzt presst er sein Gesicht in meine Hände. Sein Mund berührt meine Finger, ich spüre, wie rau sein rasiertes Kinn ist. Ich habe noch nie zuvor das Gesicht eines Mannes berührt. Es ist groß. Er nimmt meine Finger und drückt sie heftig mit seinen Händen an seinen Mund. Als er spricht, spüre ich die Hitze und Feuchte seiner Worte an meiner Hand. Zitternd bahnen sich die Worte einen Weg durch seine Kehle.
»Agnes«, murmelt er. Er küsst meine Finger. »Du musst …«, sagt er, und seine Stimme ist so heiser, dass ich ihn kaum verstehen kann, »du musst … mir verzeihen.«
Ich lasse ihn nicht los. Ich weiß nicht, was ich sonst tun sollte. Sein Kopf liegt warm und tröstend in meinem Schoß. Immer wieder sage ich mir, dass er vor Trauer ganz verwirrt sein muss. Und ich wiege John Blacklock in meinem Schoß vor dem Feuer, bis er einschläft.
* * *
Die Nacht schreitet voran, und das Feuer brennt wieder herunter, bis nur noch Glut übrig ist.
Ein dünnes Licht kriecht draußen durch den Hof, und ein leichter Wind bewegt die Blätter. Er atmet jetzt tiefer und gleichmäßiger, und er ruht immer noch in meinem Schoß. Wie nahe er dem Kind ist, das sich ebenfalls nicht regt und wahrscheinlich schläft – aber das weiß er nicht. Seine Lider sind fest geschlossen, und unter seinen Augen liegen blau-rote Schatten der Erschöpfung.
Wie gut ich das Benehmen von Männern in seinem Zustand kenne! Sie trinken, sie reden Unsinn, manchmal singen sie auch oder erzählen weitschweifige Geschichten, dann werden sie missmutig oder krank, und schließlich fallen sie in einen leichenähnlichen Schlaf. Am nächsten Morgen erwachen sie mit einem steifen Nacken und schlechter Laune, und sie erinnern sich an nichts mehr von dem, was am Vorabend vorgefallen ist. Auch John Blacklock wird alles vergessen haben.
Zudem wird es vermutlich nur noch eine Frage von wenigen Tagen sein, bis sich mein Bauch nicht mehr unter meinem Umschlagtuch verstecken lässt und meine Anstellung hier Vergangenheit sein wird.
Ich bin am Ende.
Alles wird bald zu Ende
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