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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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sie stolpere.
    Als ich in die enge Gasse einbiege, in der Blacklocks Haus liegt, lehnt sie in dem weiß getünchten Torbogen. Ihre lederne Reisetasche steht auf dem Kopfsteinpflaster zwischen ihren Füßen, als hätte sie schon eine ganze Weile auf mich gewartet. Ihr Kleid unter ihrem gemusterten Schultertuch ist sehr sauber und sehr modisch.
    »Agnes!«, sagt sie und richtet sich auf. »Was für ein wunderschöner Morgen!«
    »Woher wusstest du, wo du mich findest?«, frage ich voller Unmut.
    »Ich hab herumgefragt. Es ist nicht schwierig, jemanden zu finden, wenn man will«, erwidert Lettice Talbot. Sie verschränkt so fest die Arme, als müsste sie sich selbst zusammenhalten. »Wie geht es dir?«, fragt sie. Darauf muss ich nicht antworten. Sie sieht schließlich meinen Bauch. Es ist seltsam, denke ich. Ich habe so lange nach Lettice Talbot gesucht, und nun, wo sie vor mir steht, will ich nicht mit ihr reden. Ich blicke an ihr vorbei zum Haus.
    »Es tut mir leid, Schätzchen«, sagt sie. Sie legt den Kopf auf die Seite und lächelt mich einschmeichelnd an. »Zuerst habe ich mir Sorgen gemacht, als du nicht zu Mrs. Bray gekommen bist, wie ich vorgeschlagen hatte. Aber dann dachte ich, es ist vielleicht besser so, außer wenn du in schlechte Hände geraten wärst oder ausgeraubt in irgendeinem Graben gelegen hättest. Und dann habe ich nicht mehr an dich gedacht. Das war selbstsüchtig, gewiss.« Es klingt, als hätte sie eine Ansprache vorbereitet.
    »Selbstsüchtig?«
    »Ich gestehe, dass mir dein Aussehen gefallen hat. Du hast etwas, ich kann nicht genau sagen, was es ist. Aber ich dachte, dass sich die Frische und Liebenswürdigkeit deines Benehmens für eine Freundschaft als wertvoll erweisen könnte, auch als günstig fürs Geschäft.«
    »Du meinst, du wolltest mich wirklich als Freundin haben?«, frage ich. Vielleicht habe ich mich am Ende doch nicht in ihr getäuscht. Vielleicht wollte sie sich doch nicht von mir abwenden.
    »Natürlich wollte ich das, Schätzchen, aber ich …« Sie schaut wieder auf meinen Bauch. »Dann warst du in den Gardens, und ich habe mein Verhalten bereut. Ich habe gesehen, wie sich deine Figur verändert hat – obwohl du es recht gut versteckst, sind die Zeichen doch klar zu deuten.«
    »Du willst nicht so ein Leben führen!«, sagt sie plötzlich und sieht mich wieder an.
    Etwas an ihrem Gesicht ist sonderbar. Zuerst kann ich nicht sehen, was es ist, aber dann kommt sie aus dem Schatten hervor, und ich entdecke eine lang gezogene Strieme unterhalb ihrer Kehle. Sie hat versucht, sie mit einer weißlichen Salbe oder mit Puder abzudecken, doch die Verfärbung scheint grau und violett hindurch. Ich will nicht hinstarren, aber meine Augen wandern immer wieder dorthin, bis der Morgenwind kühl die schattige Seite der Straße hinunterweht und sie ihren fein gewebten Schal enger um den Hals zieht.
    »Weißt du«, sagt sie, »es spricht vieles dafür, niemals in Ungnade zu fallen.«
    »Bei wem?«, frage ich zurück.
    »Bei jedem, der uns auf jenen Pfaden vorwärtsstößt, die wir niemals hätten einschlagen sollen. Es ist zu schwer, wieder kehrtzumachen. Das weiß ich jetzt. Vielleicht ist es besser, dass du nicht gekommen bist, um mit mir zusammenzuarbeiten. Im gehobenen Bereich des Marktes in meinem Gewerbe gibt es Herren, die … spezielle Dinge erwarten«, sagt sie. Ich spüre den kalten Luftzug jetzt deutlicher.
    »Dein Gewerbe?«, erwidere ich. »Nennst du das so?«
    Sie lächelt.
    »Ich hätte dich gerne unter meine Fittiche genommen und dich gelehrt, was ich weiß, dir Tipps gegeben, dich hier und da ein wenig beraten, wenn dein Instinkt nicht gereicht hätte, Agnes. Du bist ein kluges Mädchen. Du wärst sehr erfolgreich geworden, da bin ich sicher.«
    »Meinst du?«, sage ich. »Was für … spezielle Dinge?«
    »Es gibt Männer, Agnes, die nicht mit dem zufrieden sind, was für andere Männer ausreichend ist.«
    »Und wie …«
    »Sie zahlen mehr«, sagt sie rasch. »Sie sind bereit, mehr als den üblichen Preis zu zahlen – für Dinge und Techniken, die ihre … ungewöhnlicheren Wünsche und Vorlieben befriedigen.«
    Ich betrachte ihr entzückendes Kleid und begreife endlich, welchen Preis sie dafür zahlen muss.
    »Tut es weh?«, frage ich unbeholfen.
    Sie zuckt anmutig mit den Schultern. »Manchmal. Aber meine Macht kommt danach, denn sie müssen großzügig dafür bezahlen, was sie tun möchten. Allerdings habe ich dich nicht gesucht, um all das zu sagen. Nur, um

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