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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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Wiesels, und ihre Fingernägel sind zu lang.
    »Du kannst mich bezahlen, nehm ich an?« Sie wendet mir den Rücken zu, wischt sich die langen Hände an einem Lappen ab und legt ihn zur Seite. »Ich spreche nur mit Mädchen, wo das sicher ist. Für Mädchen von Mrs. Bray mach ich einen Sonderpreis. Leg die Münzen da auf den Tisch, und dann können wir anfangen«, sagt sie. Neben der Tür stehen Eimer, in denen Tücher einweichen. »Wievielter Monat?«
    »Ich bin nicht ganz sicher«, lüge ich. »Vielleicht im sechsten.« Wenn ich ihr erzählen würde, wie kurz ich vor der Geburt stehe, würde sie mich mit Sicherheit nicht behandeln. Inzwischen kann ich gut lügen, ich zucke nicht einmal mit der Wimper.
    Ich lege sechs Schillinge auf den Tisch, die ich von meinem Lohn gespart habe. Als sie das Geld aufsammelt, beißt sie auf jede einzelne Münze. Ihre Zähne sind so kurz, als hätte sie das ihr ganzes Leben lang getan oder Steine statt Brot gegessen. Ich mag diese Frau nicht, und ich bin froh darüber.
    »Es gibt billigere Mittel zu kaufen – Pulver«, sagt sie. »Aber offen gesagt bewirken sie nicht viel. Man bekommt nur Bauchschmerzen davon, die einen glauben machen, dass die gewünschte Wirkung einsetzt. Du kannst sie ruhig ausprobieren, wenn du willst, aber ich glaube, es würde nicht helfen.« Sie beäugt meinen Bauch, dann schließt sie eine Truhe auf und nimmt eine gedrungene blaue Flasche heraus. Geschickt entnimmt sie mit einer Bürette etwas von der Flüssigkeit und lässt sie in ein kleines Glasfläschchen tropfen. Sie zählt leise mit und hört auf, als sie vierzig Tropfen umgefüllt hat.
    »Sadebaumöl.« Sie hebt das Fläschchen hoch und überprüft die Füllmenge. »Das ist ein sehr starkes Mittel. Ich gehe davon aus, dass du nicht leichtfertig damit umgehst. Drei Tropfen dreimal täglich, auf einem ordentlichen Stück Zucker. Klar?« Plötzlich steht sie auf, streckt die Hand aus und drückt mir unvermittelt die Finger in den Bauch. Das ist mir sehr unangenehm, denn ich finde sie abstoßend und muss mich zusammenreißen, um sie nicht wegzustoßen. »Sechs Monate? Ich würde sagen, mindestens sieben«, sagt sie. »Aber es ist nur eine Vermutung. Du siehst aus, als wärst du ein gesundes Mädchen.«
    »Ich habe Glück.« Ich will damit sagen, dass ich das Glück habe, gesund zu sein. Sie sieht mich an und schnalzt missbilligend mit der Zunge.
    »Ich würde sagen, du warst unvorsichtig oder hast Pech gehabt, Mädchen, aber«, fügt sie hinzu, »reden wir nicht lange, dein Unglück ist mein Gewinn.« Und sie erwartet, dass ich in ihr Gelächter einstimme. Ihr vorstehendes Kinn zittert.
    »Ich habe keinen Zucker«, sage ich törichterweise.
    »Kauf dir welchen, erbettel oder stiehl dir welchen«, rät mir Dilly Martinment. »Ohne Zucker schmeckt es sehr bitter.«
    »Nein«, sage ich und schüttle den Kopf. Ich denke an den großen weißen Zuckerkegel auf der Anrichte. Ich stelle mir vor, wie ich mit der Zange direkt vor der Nase von Mrs. Blight so viel davon abrasple, wie ich brauche, und dann eine Schale mit Zuckerstücken durch das Haus in mein Zimmer trage. Das wäre undenkbar.
    »Es würde auffallen«, sage ich.
    »Das Mittel ist sehr bitter, wenn man es nicht mit Zucker abmildert – wie ein trockenes Messer in der Kehle«, sagt Dilly Martinment warnend. Sie reibt sich den Hals und schneidet mit vorgerecktem Kinn eine Grimasse. »Kleine eiserne Splitter.« In dem Moment öffnet sich eine Tür in der Wandtäfelung, die mir vorher gar nicht aufgefallen ist, einen Spalt weit.
    »Fühlst du dich jetzt kräftig genug, um uns zu verlassen?«, sagt sie zu dem kleinen, dünnen Mädchen, das auf wackeligen Beinen aus dem Hinterzimmer wankt.
    Das Mädchen sieht eindeutig elend aus. Es bringt einen seltsamen Geruch mit ins Zimmer. Sein Gesicht ist kreidebleich und schweißnass, als stünde es kurz vor einem Ohnmachtsanfall. Es greift nach einer Stuhllehne.
    »Ich fühle mich immer noch nicht gut.« Ich kann kaum verstehen, was es sagt. Es löst eine Hand von dem Stuhl und streicht sich über die Haare. Seine Finger sind klein und gerötet und unternehmen einen schwachen Versuch, die Bänder der Haube zuzubinden, als Dilly Martinment sie ihm reicht.
    »Warten Sie«, sagt es, »mir wird wieder schlecht.« Es klammert sich an den Stuhl. Seine Augen sind weit aufgerissen und leer, als wäre es mit seinen Gedanken woanders.
    »Ich kann meinen Bauch nicht berühren«, flüstert es. Meine Hand unter meinem Umhang

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