Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)
Spurren zweifelnd. »Aber das wird keinen Wert haben.«
»Sie kann sich doch sicherlich für dich umhören, oder?«
Mary Spurren antwortet nicht.
Schwerfällig steige ich die Stufen zu meiner Kammer hinauf, wo aus einer halben Stunde Ruhe eine ganze Stunde wird. Die Mäuse nagen unbehelligt unter dem Waschtisch, als wäre ich schon fort. Bewegungslos sitze ich eine ganze Weile lang auf dem gemachten Bett in meiner Kammer. Ich bin bereit, nach dem Begräbnis am Nachmittag aufzubrechen. Meine Habseligkeiten sind wieder in dem Wachstuch verstaut: das Kleid, das einmal meiner Schwester gehört hat und mir nicht mehr passt, meine Unterwäsche, meine Bibel mit dem Grashalm als Lesezeichen.
Ich habe meine Stiefel mit der Schuhbürste gebürstet und geschwärzt.
Ich habe mir die Haare gekämmt und ordentlich unter der Haube befestigt. Alles ist gewaschen. Der Deckel über der gelblichen Paste ist fest verschlossen, damit nichts herausdringen kann.
Ich beschließe, Mrs. Blacklocks gutes schwarzes Kleid nach der Beerdigung nicht auszuziehen – irgendwie bringe ich es nicht über mich. Mein letzter Wochenlohn steht noch aus, und obwohl man mit vier Schillingen kaum die Manschetten dieses Gewandes bezahlen könnte, ganz zu schweigen von dem Seidenstoff oder der Stickerei, begründe ich es damit, dass es ja nicht neu war.
Ich blicke auf mein Bündel. Ich glaube, ich stehe unter Schock, weil mein Leben hier vorbei ist. Draußen geht jemand in der frühen Morgensonne pfeifend die Straße entlang.
Alles, was ich über die Kunst der Pyrotechnik gelernt habe, ist jetzt nutzlos, denke ich wütend. Die ganzen Bemühungen, die Feuerwerkskunst weiterzuentwickeln, um leuchtende Farben zu erzielen – verloren, verschwendet. Mir ist elend vor Traurigkeit, wenn ich daran denke, dass ich jetzt niemals meine eigenen, perfekten Raketen, Lichter und Fontänen abfeuern werde. Das Blut steigt mir in mein törichtes Gesicht. Wie konnte ich nur glauben, das Glück zu haben, eine Stellung in einem derart kunstfertigen Gewerbe zu bekommen? Fast sechs Monate lang hatte ich vergessen, wo ich herkomme, und mich für etwas Besseres gehalten, als ich tatsächlich bin: ein einfaches Bauernmädchen vom Land, die Tochter eines Lohnarbeiters. Ich blinzle, um durch die Tränen sehen zu können. Selbstmitleid, sage ich böse zu mir und schlage mit den Fersen gegen das Bett. Wer, dachtest du, dass du bist, als du dich benommen hast, als wärst du etwas Besseres, als du bist, und würdest etwas Besseres verdienen?
Mein Herz schlägt heftig, und ich fühle mich schwach. Als ich mich hinlege, schluchze ich nicht, sondern beiße die Zähne zusammen, als hinge mein Leben davon ab.
Hier auf dem Bett dröhnt mein Kopf vor lauter Leere.
Was soll ich tun?
Es gibt kein Zurück, ich kann nicht mehr nach Hause, mit diesem dicken Leib, bis zum Rand gefüllt von der bevorstehenden Mutterschaft. Wenn ich hierbleibe, werde ich keine Arbeit finden. Niemand wird mich nehmen.
In Wahrheit kann ich kaum glauben, was mit mir geschieht.
Ich schaue zur Tür, um zu sehen, ob der Riegel auch festgemacht ist. Ich schütte Mrs. Mellins Münzen auf die Decke und schiebe sie hin und her, als steckten in ihnen neue Ideen.
Dann schlägt St. Mary’s oder St. Dunstan’s zehn Uhr. Ich sollte hinuntergehen. Vorher verstecke ich noch das arsenhaltige Auripigment, das ich aus der Werkstatt mitgenommen habe, diesen kleinen Tiegel voll mit gelbem Gift.
In der Küche stöbere ich in den Regalen und in der Speisekammer herum, aber ich weiß, dass niemand etwas zu essen vorbereitet hat, und wir haben festgestellt, dass Mrs. Blight auch den Schinken aus dem Fliegenschrank mitgenommen hat. Aber es ist Fett da, und wir haben Mehl. Ich schäme mich, am Morgen des Begräbnisses an Essen zu denken, aber der Hunger nagt in mir, und bald wird Joe Thomazin wie ein Schatten hereinschleichen. Ich gehe zu Mary Spurren und berühre sie am Arm.
»Koch uns einen Pudding«, schlage ich vor, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll. »Wenn er fertig ist, können wir einen Plan schmieden. Besser, wir machen uns unsere missliche Lage mit vollem Magen klar, dann werden unsere Pläne nicht so hoffnungslos und unüberlegt geraten.« Wir sollten so viel essen, wie wir können, denke ich. Es ist kein Diebstahl, das Beste aus dem zu machen, was wir haben. Es ist kein Diebstahl, die Esswaren eines toten Mannes zu nehmen, denn schließlich können Tote selbst nichts mehr essen.
Das dumpfe Klopfen
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