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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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an der Tür lässt uns beide zusammenfahren.

38

    Draußen steht ein dicker Advokat. An der Tür benimmt er sich merkwürdig, er verbeugt sich vor mir, sehr höflich, als würde er mich mit jemandem verwechseln.
    »Mein Name ist Boxall, Madam«, sagt er, nimmt den Hut ab und verbeugt sich noch einmal. Dabei sieht er aus wie eine sanfte, geschäftige Ringeltaube.
    Warum ist er gekommen? Weiß er nicht, dass Mr. Blacklock verstorben ist? Ich starre ihn an.
    Mary Spurren steht vor der Küche und wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab. Mr. Boxall wirft durch den Flur einen Blick auf sie, dann hält er sich den Hut vor die Brust, als wollte er seine Stimme dämpfen, und beugt sich vor.
    »Dürfte ich vorschlagen«, fragt Mr. Boxall mich, »dass wir uns irgendwohin zurückziehen, wo wir ungestörter sind?«
    Verwirrt betrachte ich seinen Hut. Vielleicht meint er, dass ihn hier im Flur der Lärm von der Straße ablenkt. Es ist ein zu warmer Tag für einen Übermantel, und ich sehe, dass er unter seiner Perücke schwitzt. Vielleicht muss er sich setzen. Rechtzeitig fällt mir das weiße Mehl ein, das auf dem ganzen Küchentisch verstreut ist. Sein Übermantel ist so sauber, dass ich Mr. Boxall ins Studierzimmer bitten muss.
    Als er die Tür hinter sich schließt, finde ich das so merkwürdig, dass ich einen Augenblick glaube, er wolle die Situation ausnutzen. Hier ist es ganz ruhig. Aber er bleibt verlegen stehen und nimmt nicht einmal Platz, bis ich mich schließlich setze. Es bedeutet eine Erleichterung, das Gewicht nicht mehr tragen zu müssen. Die warme Luft macht mich benommen, und ich fühle mich schwer. Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Fußgelenke kein Gramm zusätzlich mehr tragen können. Ich versuche, nicht über meinen Bauch zu streichen, als das Kind gegen meine Rippen drückt und seine Lage verändert. Das gute Kleid legt sich in Falten um mich herum, als ich mich vor den erloschenen Kamin setze.
    »Sehr bedauerlich, Madam, diese traurigen Umstände …«, setzt er vage an und schüttelt den Kopf, sodass der Schweiß glitzert. »Darf ich Ihnen mein Beileid aussprechen?«
    Ich öffne den Mund zu einer Erwiderung, aber er lässt mich nicht zu Wort kommen. »Ich werde mich kurzfassen«, sagt er und greift in seine Aktentasche. »Ich bin hier, um Ihnen den Inhalt von Mr. John Blacklocks Testament mitzuteilen.« Er räuspert sich, zieht eine Brille aus einem kleinen Beutel und streicht ein Schriftstück glatt, das er aufgeschlagen hat. »Kurz gesagt, Sie sind die einzige Begünstigte, Mrs. Blacklock.«
    »Nein, nein, ich bin nicht …«
    »Damit können Sie voll und ganz über das Geschäft verfügen«, fährt er fort und beachtet mich nicht. »Über die weltlichen Besitztümer, mit denen Gott mich gesegnet hat, verfüge ich wie folgt: Hiermit vermache ich Agnes Blacklock, geborene Trussel, meiner Ehefrau, mein gesamtes Hab und Gut, Geld, Rechnungen, Verpflichtungen und meine ganzen beweglichen Besitztümer. Meine Frau Agnes Blacklock ist verpflichtet, nach meinem Ableben sämtliche Verpflichtungen und die Begräbniskosten aus meinem beweglichen und unbeweglichen Vermögen zu begleichen. Außerdem hinterlasse ich meinem Dienstmädchen Mary Catherine Spurren die Summe von acht Pfund.« Er sieht auf. »Ich muss nicht weiterlesen. Ich merke, wie erschöpft Sie sind. Abschließend wage ich zu sagen, dass es keine Überraschung ist, dass Blacklock’s Pyrotechny mit dem Haus und den Nebengebäuden Ihnen gehören wird, Madam.«
    »Nein, nein«, sage ich wieder. Ich bin verwirrt. »Sie verwechseln mich! Mrs. Blacklock ist tot!«
    Er wischt sich mit einem weißen Taschentuch über die feuchten Schläfen. »Ich fürchte, Sie müssen lauter sprechen, Madam, mein Gehör ist nicht mehr das, was es einmal war. Früher war es fein wie das einer Katze, wirklich. In meiner Jugend konnte ich das Kreischen einer Fischverkäuferin auf dem Markt von Billingsgate vom London Stone aus noch hören!« Er lacht wehmütig in sich hinein, und das Licht spiegelt sich auf seiner rosa Stirn.
    »Wann wurde das Testament aufgesetzt, Mr. Boxall?«, frage ich laut in dem Bestreben, den offensichtlichen Irrtum aufzuklären.
    Er schiebt sich die Brille auf die Nase zurück und nimmt das Testament zur Hand. Wieder liest er laut vor: »Dies ist der zwölfte Tag im Mai im Jahre des Herrn siebzehn dreiundfünfzig. Mr. Blacklock hat es vor fast drei Wochen mit mir zusammen aufgesetzt, Mrs. Blacklock. Vor drei Wochen.« Er blickt

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