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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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Arbeiter in die Enge wie die Ratten. Mein Blut beginnt vor Wut zu brodeln, und ich balle die Fäuste. Das kann meine Familie nur in Not und Elend stürzen. Für meine Familie wird es im kommenden Jahr kein Schwein geben. Ich fürchte, außer Schwierigkeiten haben sie nicht viel zu erwarten. Wie so viele andere werden sie ihre Bäuche vor Hunger anspannen müssen, Tag für Tag.
    Gute Männer wie mein Vater, der seine Familie ernährt und jede noch so jämmerliche Arbeit annimmt, um den Bäcker, den Krämer und den Müller bezahlen zu können. Schlechte Männer wie John Glincy – sie alle sind in der gleichen traurigen Lage. Was macht überhaupt einen guten Mann aus, oder einen schlechten? Während der Wagen vorwärtsrattert, machen sich diese Gedanken allmählich selbstständig und wabern wie Rauch durch meinen Kopf.
    Wie ich schon gesagt habe, bin ich nicht ich selbst, und ich kann mich wohl kaum zu Themen wie Moral oder Tugend äußern. Ich male mir aus, wie ich mit meinem dicken Bauch die St. Mary’s Church betrete, rund wie eine trächtige Stute in meinem schändlichen Zustand, und das Blut schießt mir vor Scham ins Gesicht.
    Ich will nicht an diese Dinge denken.
    Stattdessen richte ich meine Aufmerksamkeit darauf, dass die Sonne eine flache Scheibe mit weißem Licht ist, eher ein Loch in den Wolken. Ich nehme wahr, dass die Hecken voller Beeren hängen und mit Efeu berankt sind. Ich beobachte die Windungen und Kurven der Straße. Und allmählich öffnen sich meine Fäuste, und ich gleite in einen schläfrigen Zustand, in dem mir der Kopf nach vorne auf die Brust sinkt, bis die Kälte mich wieder aufweckt. Die Wolken werden im Laufe des Vormittags dichter. Es ist eine lange Reise, in vielerlei Hinsicht.
    In regelmäßigen Abständen halten wir an, um die Pferde zu tränken, einen Fahrgast aufzunehmen oder einen abzusetzen. Ängstlich lasse ich bei jedem Halt mein Bündel nicht aus den Augen, das mit dem Rest des Gepäcks festgebunden ist. Mrs. Mellins Münzen sind sicher in meinem Mieder verstaut. Ich kann sie an meinen Rippen spüren, wenn ich mich vorbeuge oder tief einatme. Sie sind alles, was ich habe, und was ich verlieren könnte, rufe ich mir in Erinnerung.
    Auf der Heide vor Horsham begrüßen zwei Männer den Kutscher laut und überschwänglich und setzen sich hinten auf die Heckklappe. Sie stampfen mit ihren Stiefeln auf und bringen den Wagen zum Beben. Außerdem sind sie laut und lästig und riechen nach Alkohol. Ich bin erleichtert, als sie nach ungefähr einer Meile gewaltsam wieder abgesetzt werden. Das führt zu einem Streit, und einer der Männer stürzt zu Boden. Der Kutscher hat einen Terrier, den ich noch lange danach vorne auf dem Wagen knurren höre. Schließlich schlafe ich ein und träume von einem Mann mit wund geriebenem roten Hals, der am Straßenrand neben dem Gefährt herläuft. Seine Schritte sind entschlossen und wütend. Ich schrecke aus dem Schlaf auf und stelle fest, dass er nicht da ist.
    Die Hecken schlängeln sich neben uns den Weg entlang, und ich betrachte sie, bis meine Augen ganz glasig sind vor lauter Starren. Ein junger Hase schießt hinter uns über den schlammigen Weg und verschwindet im Unterholz. Die Helligkeit nimmt allmählich ab, und Stille liegt in der kalten Luft. Unser weißer Atem steigt auf, als würden wir alle friedlich auf einem Feuer vor uns hin schmoren.
    Nach dem regen Treiben in Horsham neigt sich der Nachmittag rasch dem Ende zu. Wir kommen an erleuchteten Fenstern von Wohnhäusern vorbei, und Männer kehren zu Fuß von der Arbeit zurück. Der Lichtschein der Laternen am Wagen fällt auf ihre Gesichter, als sie zur Seite treten, um Platz zu machen. Ich höre, wie jemand mit einer Axt Holz spaltet. Wir fahren an einem niedrigen Cottage vorbei, in dessen Küche eine Kerze brennt. Eine Frau beugt sich vor, hebt die Hand und schüttelt etwas vor dem Mann hin und her, der am Tisch sitzt. Ich finde es sonderbar, Dinge zu sehen, aber nicht zu verstehen.
    * * *
    Wir übernachten irgendwo in der Nähe von Dorking. Das Red Lion ist ein schäbiges Gasthaus. Ich bestelle Brühe, die in einem flachen Zinnteller gebracht wird, sodass sie bereits kalt ist. Ich kann nicht sagen, welche Art von Fleisch ihr den Geschmack gegeben hat. Ich esse so viel davon, wie es mir möglich ist.
    »Billige Betten?« Die Frau im Schankraum wiederholt meine Worte so laut, als wäre sie beleidigt, dann ruft sie eine ältere Frau herbei, die mich in den hinteren Raum führt. Die

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