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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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höre nicht hin. Ich bete, dass niemand mich ansprechen wird. Ich halte mich selbst für schlecht und verdorben. Man sollte sich lieber nicht mit mir unterhalten. Ich bin wie ein Apfel, der langsam vor sich hin fault, nachdem die Würmer in ihn eingedrungen sind. Ein verfaulter Apfel, der in einem Korb neben einem gesunden Apfel liegt, wird diesen und die anderen Äpfel verderben, bis alle zusammen verfaulen.
    Der Tag ist milder als der Vortag.
    Die Sonne scheint nicht, aber die Wolken sind hoch und licht. In der Luft liegt jene namenlose Süße, die aus der Erde strömt, bevor die strengen Fröste beginnen.
    Nach einer Weile streift die Frau einen Handschuh ab und isst mit der bloßen Hand ein paar Früchte. Sie schluckt schnell, und es fällt kein Tropfen Saft auf ihr Kleid. Ich schrecke auf, als sie sich zu mir beugt und mir mit ihren langen Fingern eine Pflaume anbietet. Ich nehme sie dankbar an und beiße hinein. Es ist schon spät im Jahr für so eine gute Pflaume, sie schmeckt säuerlich und angenehm zugleich. Der Flaum auf der perfekten Schale sieht wie Mehltau aus. »Vielen Dank, Ma’am«, sage ich.
    Sie zieht ihren Handschuh wieder an.
    »Mein Name ist Lettice Talbot«, sagt die Frau, als wollte sie ein Gespräch beginnen. Ihre Stimme ist hell und schmeichelnd, wie die eines Kindes. »Manche Leute nennen mich Letty.« Ich spucke den Pflaumenkern aus und werfe ihn auf die Straße.
    »Was für ein ungewöhnlicher Name«, antworte ich aus Höflichkeit.
    »Mir gefällt er sehr«, entgegnet die Frau. Ich finde die Antwort seltsam. Es klingt, als hätte sie den Namen selbst ausgewählt.
    Mir fällt nichts ein, was ich noch zu ihr sagen könnte. Wenn Lettice Talbot sich bewegt, geht von ihrer Kleidung ein ungewöhnlicher Duft aus, süß wie Bienenwachs oder wie der verstaubte Geruch von Rosen, die in einem Schrank getrocknet wurden. Vielleicht auch von etwas anderem, das ich nicht einordnen kann. Es ist ein angenehmer und anziehender Geruch, und ich hätte mich gerne ein wenig näher zu ihr gesetzt.
    Gegen Mittag rollen wir den White Down Hill hinunter und erreichen das Dorf Leatherhead. Die Schenke liegt direkt neben der Schmiede, und im Vorbeifahren sehe ich in der Dunkelheit die weiß glühenden Kohlen flackern und höre das Brausen des Blasebalgs. Vom Hof der Schenke aus kann man immer noch das regelmäßige Klirren von Metall und den Klang eines Hammers auf heißem Eisen gegen einen Amboss hören. Dann ist es still. Ich weiß genau, dass nun das Hufeisen mit einem Zischen in kaltes Wasser getaucht wird, und kenne den Geruch nach verbranntem Horn, wenn das warme Hufeisen festgenagelt wird.
    Das Gerüttel wird langsamer und hört auf.
    »Wir können hier etwas essen.« Sogleich klettert Lettice Talbot über die Heckklappe hinunter und ruft nach mir, während sie sich den Schmutz von den Handflächen wischt. Das Pferdegeschirr klirrt, als die Stallburschen die Pferde ausschirren. Die Tiere schwitzen und atmen schwer.
    »Wie steif man hinten auf diesem Wagen wird, wenn man dort sitzt wie die Hühner auf der Stange!« Sie wirft einen skeptischen Blick auf die Küken vorne im Wagen und lacht dann, als wäre ihr ein schalkhafter Gedanke durch den Kopf geschossen. Ein Hund bellt.
    »Bist du nicht hungrig?«, fragt sie. Ich muss wohl etwas essen. »Ich wette, deine letzte Mahlzeit ist eine Ewigkeit her. Habe ich recht, Schätzchen?« Sie winkt mich zu sich hinunter.
    »Wir haben reichlich Zeit, im Rose and Crown zu Mittag zu essen«, versichert sie mir, als würde sie oft auf dieser Strecke reisen. Die Sonne bricht durch die Wolken, als wir über den Hof gehen.
    Im Innern des Gasthauses müssen sich meine Augen erst an die Dunkelheit gewöhnen. In der breiten Herdstelle lodert ein Feuer, und es riecht angenehm nach Holzrauch und Ale. Zwei Männer sehen auf und wenden sich dann wieder den Papieren zu, die sie auf einem Tisch ausgebreitet haben. Das Mädchen, das Ale aus einem Fass neben einer Tür zapft, führt uns zu einer Bank. Wir sitzen mit dem Rücken zur Sonne, die durch das Bleiglasfenster fällt. Die Scheibe ist blau vom Rauch des Feuers. Der Backsteinfußboden ist frisch gefegt. Der mürrische Mann im Überrock setzt sich allein an einen Tisch an der entgegengesetzten Seite des Raumes, bestellt ein Gericht mit Fleisch und reibt sich dann den Bauch. Seinen Mantel behält er an. Vor dem Eingang ertönt lautes Gelächter, und dann herrscht auf einmal ungezwungene Betriebsamkeit im Schankraum.
    Wie rasch sich

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